Verfahren der Richtlinienpsychotherapie
Viele Wege, eine psychotherapeutische Behandlung durchzuführen, haben sich als ausgesprochen wirksam erwiesen. Dennoch ist die Evidenz nicht für alle gleichermaßen gegeben und auch die Bezahlung durch die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht einheitlich geregelt. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt nur die Kosten für die sogenannte Richtlinien-Psychotherapie. Zurzeit umfasst dies die unten gelisteten Psychotherapie-Verfahren (geordnet nach der Häufigkeit ihrer Verbreitung).
Zu einer Erläuterung der einzelnen Verfahren gelangen Sie durch Anklicken der grauen Balken.
Die Verhaltenstherapie+x
Die Verhaltenstherapie (VT) nimmt an, dass unsere Psyche und unser Verhalten durch die Erfahrungen geprägt sind, die wir im Leben machen. Wir entwickeln aus diesen Erfahrungen auch Gedanken und Überzeugungen, wie wir am besten mit uns und anderen umgehen. Es wird also angenommen, dass viele unserer psychischen Eigenschaften, Verhaltensmuster und Fähigkeiten erlernt sind.
Belastende Erfahrungen können zusammen mit erblich bedingten Empfindlichkeiten unterschiedlich starken Stress auslösen und auch zu der Erlernung (langfristig) schädlicher Verhaltensmuster führen. Sind die Belastungen zu groß oder dauern sie zu lange an, können auf diese Weise psychische Erkrankungen entstehen.
Für die Verhaltenstherapie, wie für alle anderen Richtlinienverfahren auch, ist es zudem bedeutsam, wie Sie Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen gestalten und wie Sie mit Konflikten umgehen, da hieraus ein Großteil Ihrer Alltagsbelastung entsteht. Ihre Psychotherapeut*in fragt Sie daher zu Beginn oft danach, woran Sie gerade besonders leiden, was Sie gegenwärtig belastet und Ihr Leben beeinträchtigt. Für diese Probleme sucht sie anschließend mit Ihnen gemeinsam auf Basis wissenschaftlicher Modelle nach Erklärungen. Sie spricht mit Ihnen beispielsweise darüber, warum es Ihnen schwerfällt, sich mit anderen Menschen zu treffen, welche schlechten Erfahrungen Sie bislang dabei gemacht haben, aber auch, wie diese Erfahrungen Ihre Erwartungen in allen weiteren Situationen prägen.
Die/der Psychotherapeut*in betrachtet mit Ihnen Ihre erlernten Denkmuster und Verhaltensweisen und überlegt mit Ihnen gemeinsam, wie Sie diese ändern können. Dabei geht es darum, Ihre Annahmen über das, was passieren könnte, zu hinterfragen und neue Wege auszuloten. Die Verhaltenstherapie erfordert dabei eine aktive Mitarbeit des/der Patient*in. Das bedeutet zum Beispiel auch, dass Sie zwischen den Therapiestunden neue Verhaltensweisen ausprobieren und erlernte Fertigkeiten eigenständig üben. Ihr*e Psychotherapeut*in wird Ihnen dabei helfen, besser zu verstehen, wie Sie Ihre Beziehungen gestalten und wie Sie Ihr Verhalten so ändern können, dass Sie besser im Alltag zurechtkommen und weniger leiden. Gerade in akuten Krisen kann eine Verhaltenstherapie helfen, Sie dank der Unterstützung Ihres/Ihrer Psychotherapeut*in schnell wieder aufzurichten.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie+x
Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hat sich aus der Psychoanalyse entwickelt. Sie nimmt an, dass aktuelle Konflikte oder schmerzhafte Erfahrungen aus früheren Lebensphasen zu psychischen Erkrankungen führen können. Auch Armut oder ein Mangel an emotionaler Zuwendung und Unterstützung in der Kindheit können psychisch krank machen. Insbesondere schmerzhafte Erlebnisse und heftige Konflikte mit Eltern und Geschwistern oder anderen wichtigen Personen werden häufig verdrängt.
Solche unbewussten Konflikte erinnern wir nicht. Sie können aber dennoch unser Leben prägen. Sie beeinflussen, wie wir denken, fühlen und uns verhalten oder wie wir unsere aktuellen Beziehungen gestalten. So kann, was wir als Kind in Beziehungen gelernt oder auch nicht gelernt haben, unser späteres Leben erschweren oder sogar psychisch krank machen. Die Beziehungen zu Lebenspartner*innen, Freund*innen oder Arbeitskolleg*innen können deshalb schwierig sein oder sogar scheitern. Psychotherapeut*innen sprechen von einem krankmachenden Konflikt zwischen prägenden Erfahrungen und aktuellen Bedürfnissen und Erwartungen.
Psychotherapeut*innen, die tiefenpsychologisch arbeiten, helfen Ihnen, die unbewussten Konflikte zu erkennen, die Ihren aktuellen psychischen Beschwerden zugrunde liegen, sich mit diesen auseinanderzusetzen und Ihr Verhalten zu ändern. Sie unterstützen Sie auf diesem Wege dabei, sich wiederholende Beziehungsmuster, die Ihr Leben prägen und einschränken, zu durchbrechen.
Indem Sie sich diese prägenden Erfahrungen, Ihre Beziehungsmuster und die psychischen Konflikte mit Hilfe Ihrer/Ihres Psychotherapeut*in bewusst vor Augen führen, können Sie beginnen, sich selbst besser zu verstehen und Veränderungen zu erarbeiten, die Ihren Leidensdruck senken. Auf diese Weise können Sie andere Beziehungserfahrungen sammeln und neue Verhaltensweisen erproben. Ziel der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist es also, die bisher unbewussten Konflikte zu lösen, sodass diese Sie nicht mehr psychisch krank machen. Im Unterschied zur Analytischen Psychotherapie konzentriert sich Ihr*e Psychotherapeut*in dabei auf die Konflikte der Gegenwart. Ihr Hauptfokus ist demnach nicht wie bei der Analytischen Psychotherapie eine detaillierte Aufarbeitung der biographischen Vorgeschichte (insbesondere Kindheitserfahrungen). Dieser Gegenwartsfokus hat den Vorteil, dass sich Veränderungsbemühungen in der Regel schneller (weniger Therapiesitzungen) als wirksam erweisen.
Analytische Psychotherapie+x
Die Analytische Psychotherapie geht auf die Psychoanalyse zurück, die von Sigmund Freud gegen Ende des 19. Jahrhunderts begründet wurde und seither weiterentwickelt worden ist. Nach der Analytischen Psychotherapie werden psychische Erkrankungen durch innere Konflikte verursacht, die Menschen in ihrem Leben und ihren Beziehungen – insbesondere in den ersten Lebensjahren – erlebt haben. Die Psyche des Menschen sorgt dafür, dass schmerzhafte Erfahrungen und besonders belastende Erlebnisse durch psychische Abwehrmechanismen aus der bewussten Wahrnehmung verdrängt oder anders erträglich gemacht werden. Die Konflikte beeinflussen jedoch trotzdem weiterhin wie wir denken, fühlen und handeln. Die frühen Beziehungen zu Eltern und Geschwistern prägen dadurch beispielsweise unsere späteren Beziehungen als Erwachsene. Sie können auch zu psychischen Erkrankungen führen, wenn sich die unbewussten Bewältigungsmuster, die als Kind hilfreich waren, im weiteren Leben als störend oder unbrauchbar erweisen. Psychisch kranke Menschen wiederholen nach der psychoanalytischen Theorie Beziehungsmuster, die ursprünglich einmal eine Lösung waren, sich aber für andere Beziehungen und Situationen als nicht mehr hilfreich erweisen.
In der Analytischen Psychotherapie hilft die Psychotherapeut*in Ihnen, sich die Beziehungsmuster und damit verbundene verdrängte Gefühle, Erinnerungen und innere Konflikte bewusst zu machen. Dafür beschreiben Sie ihr, was Ihnen an Gedanken oder Erinnerungen durch den Kopf geht, ohne das Gesagte zu bewerten oder zu beurteilen. Sie geht dabei davon aus, dass diese Assoziationen nicht zufällig sind, sondern etwas darüber sagen, was Sie innerlich bewegt und Ihr Verhalten prägt. Dabei achtet Ihre Therapeut*in auch darauf, wie Sie die Beziehung mit ihr gestalten. Sie geht davon aus, dass auch in der Beziehung zu ihr die Muster und Konflikte erkennbar werden, die Sie insbesondere als Kind erlebt haben oder die durch traumatische Erfahrungen geprägt sind und die sich immerzu wiederholen. Im Gespräch über Ihre Assoziationen und Beziehungen können Sie auf diese Weise erkennen und klären, warum Sie so fühlen und handeln, wie Sie es tun, und ob dies aktuell noch passend ist. Ziel ist es, durch ein vertieftes Verständnis für sich selbst neue Wege aus den sich wiederholenden seelischen Sackgassen zu finden. Diese detaillierte Aufbereitung der eigenen Lebensgeschichte und früherer wie aktueller Verhaltensmuster kostet entsprechend viel Zeit. Patient*innen, die sich für dieses Verfahren entscheiden, sind daher oft über einen längeren Zeitraum in Therapie als es bei den anderen Verfahren im Durschnitt üblich ist.
Systemische Therapie bei Erwachsenen+x
Die Systemische Therapie betont, dass psychische Erkrankungen auch dadurch entstehen können, wie Menschen in alltäglichen Beziehungen miteinander umgehen. Sie nimmt an, dass insbesondere im familiären Beziehungsgeflecht wichtige Ursachen für die psychische Erkrankung der Patient*in zu finden sind. Mit einer psychischen Erkrankung kann ein Mensch ausdrücken, dass innere und zwischenmenschliche Spannungen für ihn oder sie nicht anders zu lösen sind. Die Störung wird also beispielsweise im System Familie gesucht, nicht bei den Patient*innen alleine. Das System kann aber beispielsweise auch die Schule, das Arbeitsumfeld, eine Partnerschaft oder der Freundeskreis sein.
Deshalb werden in die Behandlung häufig auch die Lebenspartner*in, Eltern, Geschwister oder andere wichtige Personen einbezogen. Konflikte und krankmachende Beziehungen können so besser erkannt und bearbeitet werden. Ein Schwerpunkt der Systemischen Therapie ist dabei, die Stärken der Patient*innen und der Familienmitglieder zu nutzen, ihr Verhalten zu ändern, Beziehungen anders zu gestalten oder anders zu sehen und gemeinsam Lösungen für die bestehenden Probleme und Konflikte zu entwickeln.
In der Systemischen Therapie werden zum Beispiel Familienbeziehungen als Zeichnungen oder mit Figuren dargestellt. Indem die Beziehungen räumlich dargestellt werden, kann ausgedrückt werden, was die Einzelnen füreinander empfinden und wie nahe sie einander stehen. Dies löst untereinander bei Eltern und Kindern Gefühle und Gedanken aus, die symptomatisch für die realen Beziehungen in der Familie sind. Durch die räumliche Aufstellung kann jede*r Einzelne sogar mehr ausdrücken, als sie in Worte fassen können. Manchmal erfolgt die Aufstellung auch mit den realen Familienmitgliedern. Wenn die Familienmitglieder nicht an der Behandlung beteiligt werden können oder sollen, kann die Patient*in alternativ selbst in die Rollen der verschiedenen Familienmitglieder schlüpfen. So kann sie die familiären Beziehungen und die Dynamik in der Familie besser verstehen. Die Therapeut*in unterstützt die Patient*in durch ihre/seine Art Fragen zu stellen dabei, selbst zu erkennen, wie sie die festgefahrenen Beziehungen verändern kann. Gleichzeitig werden die Patient*innen in der Systemischen Therapie besonders ermutigt, in die verschiedene Perspektiven der ihnen nahestehenden Personen bzw. des sozialen Gegenübers zu schlüpfen und die Gedanken, Gefühle und Handlungen nachzuvollziehen und auch die Auswirkungen die die einzelnen Handlungen auf das Gesamtsystem nehmen. Dabei wird durch die Zeichnung oder Figuren auch dargestellt, wie sich diese Familienbeziehungen im Leben der Patient*in verändert haben und künftig verändern könnten.
Die Systemische Therapie nimmt an, dass aufgrund dieser Behandlungsmethoden Anstöße gegeben werden, die es einer/einem Patient*in oder einer Familie erlauben, in ihrem Alltag zwischen den Behandlungsstunden bessere Lösungen für die jeweiligen Schwierigkeiten und Konflikte zu finden.
Neuropsychologische Therapie bei Gehirnverletzungen+x
Die Neuropsychologische Therapie ist eine besondere Therapie für die vielfältigen Probleme, die aufgrund einer Hirnschädigung entstehen. Ursachen sind insbesondere Verletzungen oder Erkrankungen des Gehirns, die zum Beispiel durch einen Unfall oder Schlaganfall entstehen können. Wenn Sie zum Beispiel bei einem Autounfall eine Kopfverletzung erlitten haben, kann es sein, dass Sie sich danach nicht mehr so gut konzentrieren oder erinnern können. Es kann auch sein, dass Sie sich stark zurückziehen und an kaum mehr etwas Interesse haben. Sie sind vielleicht auch nicht mehr so leistungsfähig und belastbar wie früher.
Mit Hilfe der Neuropsychologischen Psychotherapie sollen die psychischen und körperlichen Probleme, die durch die Hirnverletzung entstanden sind, gelindert werden. Die Patient*innen lernen, wie sie mit den Einschränkungen leben und diese so gut es geht ausgleichen können. Sie sollen ihr alltägliches Leben wieder möglichst selbstständig leben können. Die Behandlung erfolgt meist über mehrere Monate einmal wöchentlich oder auch intensiver. Manche Patient*innen werden auch über Jahre begleitet.
Die Neuropsychologische Psychotherapie wird von spezialisierten Psychotherapeut*innen angeboten. Diese haben dafür eine zusätzliche Weiterbildung abgeschlossen, die mindestens zwei Jahre dauert. Auf ihrem Praxisschild oder auf ihrer Webseite steht in der Regel die Bezeichnung „Klinische Neuropsychologie“.
Eine knappe Übersicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die verschiedenen Therapieformen und Settings finden Sie hier.