Zahl der Psychotherapeuten an die Häufigkeit psychischer Erkrankungen koppeln
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert, zukünftig in der Bedarfsplanung psychotherapeutischer Praxen zu berücksichtigen, ob in einer Region mehr oder weniger Menschen psychisch erkranken. "Ein Einstieg in eine solche morbiditätsorientierte Bedarfsplanung ist machbar", stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz zum IGES/Jacobi-Gutachten, das heute veröffentlicht wurde, fest. "Eine Reform der bisherigen Bedarfsplanung ist dringend: Obwohl wir in vielen Regionen monatelange Wartezeiten bei niedergelassenen Psychotherapeuten haben, soll sich nach der bisherigen Bedarfsplanung ihre Zahl um fast 4.500 Sitze verringern. Das wäre ein Desaster für psychisch kranke Menschen, weil sie noch länger auf eine Behandlung warten müssten."
Das Berliner IGES-Institut hat zusammen mit Prof. Dr. Frank Jacobi ein neues Konzept zur bedarfsgerechten Planung von psychotherapeutischen Praxen entwickelt. Bertelsmann Stiftung und BPtK hatten dieses Gutachten in Auftrag gegeben. Auch der Gesetzgeber hält eine Reform der bisherigen Bedarfsplanung für notwendig. Er hat den Gemeinsamen Bundesausschuss damit beauftragt, bis zum 1. Januar 2017 eine "bedarfsgerechte Versorgung", insbesondere für die Psychotherapeuten, zu entwickeln und dabei die Sozial- und Morbiditätsstruktur zu berücksichtigen.
Um den Bedarf an psychotherapeutischen Praxen vor Ort besser abschätzen zu können, hat das IGES/Jacobi-Gutachten einen Bedarfsindex entwickelt. Dazu untersuchten die Gesundheitsexperten, welche Zusammenhänge es zwischen der Häufigkeit psychischer Erkrankungen und bestimmten soziodemografischen Merkmalen gibt. Das Gutachten kann vier wesentliche Einflussfaktoren für psychische Morbidität aufzeigen:
- Alter: Die Häufigkeit psychischer Erkrankungen nimmt mit dem Alter ab.
- Geschlecht: Frauen sind häufiger psychisch krank als Männer.
- Bildung: Menschen ohne Schulabschluss sind häufiger psychisch krank als Menschen mit Abitur.
- Arbeitslosigkeit: Arbeitslose leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen als Menschen, die berufstätig sind.
- ein neuer Stichtag: 31. Dezember 2004 statt 31. August 1999
- ein neuer Regionsbezug: Westdeutschland statt Gesamtdeutschland
- eine Bedarfsplanung für das Ruhrgebiet nach der allgemeinen Systematik.
17.11.2016