Weiterhin großer Mangel an Psychotherapie in psychiatrischen Kliniken
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 16. September 2021 über die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zu den Mindestanforderungen für Psychotherapeut*innen in der Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-Richtlinie) entschieden.
Seit der Verabschiedung der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) vor über 30 Jahren ist die Psychotherapie zu einem der wichtigsten Behandlungsmittel bei psychischen Erkrankungen geworden und wird in allen Leitlinien mit hohen Empfehlungsgraden empfohlen. Bei der Ablösung der Psych-PV durch die PPP-Richtlinie wurde deshalb von allen beteiligten Expert*innen eine substanzielle Erhöhung der psychotherapeutischen Behandlungs- und Personalkapazitäten für zwingend erforderlich gehalten. Diese Anpassung ist in der Erstfassung der PPP-Richtlinie nicht im erforderlichen Umfang erfolgt. Der G-BA hat deshalb vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, die Richtlinie um Mindestvorgaben für Psychotherapeut*innen zu ergänzen. Der gesetzliche Auftrag verfolgt ausdrücklich das Ziel, „dass die Psychotherapie entsprechend ihrer Bedeutung in der Versorgung psychisch und psychosomatisch Erkrankter (…) abgebildet wird“. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Minutenwerte für Psychotherapie erhöht werden. Stattdessen hat der G-BA nun jedoch beschlossen, ganz auf die Erhöhung der Minutenwerte zu verzichten. Damit missachtet er den gesetzlichen Auftrag, die Psychotherapie in den Krankenhäusern für psychisch kranke Menschen zu stärken.
Nach der PPP-Richtlinie kann eine Patient*in zum Beispiel durchschnittlich 50 Minuten Einzeltherapie pro Woche erhalten. Dagegen liegt das intensivtherapeutische Angebot in ambulanten Praxen schon bei drei Stunden Einzeltherapie je Woche. „Der G-BA hätte mit seiner Entscheidung sicherstellen sollen, dass eine leitliniengerechte psychotherapeutische Versorgung in psychiatrischen Kliniken möglich ist. Dass stattdessen die Unterversorgung fortgeschrieben wird und die Minutenwerte gar nicht erhöht werden sollen, ist unverantwortlich und nicht nach zu vollziehen“, sagt Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz.
Sowohl die Landespsychotherapeutenkammern als auch die Bundespsychotherapeutenkammer appellieren daher an Entscheidungsträger aus der Gesundheitspolitik, sich gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit dafür auszusprechen, den Beschluss des G-BA nur mit der Auflage zu genehmigen, dass es zu einer Erhöhung der Minutenwerte kommt. Die BPtK hatte zusammen mit der Bundesärztekammer und der Patientenvertretung im G-BA eine Erhöhung der Minuten für Einzelpsychotherapie auf mindestens 75 bis 100 Minuten gefordert.