Zum Seiteninhalt

Psychotherapie für Flüchtlinge und Migrant*innen sicherstellen

Millionen Menschen fliehen aus der Ukraine vor dem russischen Angriffskrieg. Die Verwüstung ihrer Städte, Gewalt, Tod sowie Kriegsverbrechen sind traumatisierend. Über 300.000 Flüchtlinge aus der Ukraine finden bereits Schutz in Deutschland. Sie brauchen Unterkünfte, Verpflegung, viele von ihnen aber auch medizinische und psychotherapeutische Versorgung. Die Bundesregierung plant bereits, die finanzielle Grundsicherung der Flüchtlinge durch Hartz IV und Sozialhilfe sicherzustellen. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine psychotherapeutische Versorgung zu ermöglichen.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert die Bundesregierung auf, auch die Sprachmittlung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verankern. Die Ampel-Koalition hat dies im Koalitionsvertrag bereits vereinbart. „Ohne Sprachmittlung ist eine fachgerechte Beratung, Diagnostik, Aufklärung und Behandlung psychisch kranker Migrant*innen nicht möglich“, erklärt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz. „Psychotherapie braucht sprachliche Verständigung, sonst lässt sie sich nicht durchführen.“

Die BPtK fordert deshalb heute gemeinsam mit anderen Organisationen der psychotherapeutischen, psychiatrischen und psychosozialen Versorgung:

  • Sprachmittlung muss finanziert werden

Sprachmittlung muss als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V für Flüchtlinge und Migrant*innen finanziert werden. Bei psychisch kranken Menschen, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind, ist grundsätzlich eine Sprachmittlung notwendig. Über die Notwendigkeit entscheidet die behandelnde Psychotherapeut*in oder Ärzt*in. Die Sprachmittlung ist durch die Behandelnden zu verordnen und unterliegt nicht dem Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen.

  • Sprachmittlung als Präsenz-, Telefon- sowie Videokonferenz ermöglichen

Sprachmittlung muss in Präsenz, aber auch als Telefon- und Videokonferenz möglich sein. Welcher Kommunikationsweg genutzt wird, muss die Behandelnde* in Absprache mit der Patient*in entscheiden. Der Umfang der Sprachmittlung misst sich an der medizinischen Notwendigkeit. Auch beim Einsatz von Telefon und digitalen Medien in der Sprachmittlung müssen die technischen Voraussetzungen für Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet sein. Gängige Übersetzungsprogramme mit Spracherkennung und Sprachausgabe sind für die Dolmetscheraufgaben nicht geeignet.

  • Qualitätsanforderungen an Sprachmittler*innen festlegen

Sprachmittlung sollte nur durch qualifizierte Sprachmittler*innen erbracht werden. Neben allgemeinen Dolmetscher*innen-Kompetenzen gehören hierzu auch Wissen über das Gesundheitssystem in Deutschland sowie fachspezifische Kenntnisse in der Versorgung psychischer Erkrankungen.

  • Sprachmittlung angemessen vergüten

Die Sprachmittlung muss angemessen vergütet werden. Die Höhe des Honorars muss auch ermöglichen, dass Sprachmittler*innen kontinuierlich Schulungen und Supervision absolvieren und finanzieren können.

  • Sprachmittlung auch für Flüchtlinge sicherstellen

Für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge gilt eine neue EU-Richtlinie, nach der sie sich in Deutschland nur registrieren müssen, aber ihre Schutzbedürftigkeit nicht individuell in einem Verfahren beweisen müssen. Es ist auch geplant, dass sie ab 1. Juni 2022 grundsätzlich über Hartz IV und Sozialhilfe krankenversichert sind.

Alle anderen Flüchtlinge haben aber in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland in aller Regel keinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb muss der Anspruch auf Sprachmittlung auch im Asylbewerberleistungsgesetz analog zu Regelungen im SGB V verankert und die Kostenübernahme für diese Personengruppe verbindlich geregelt werden. Grundsätzlich sollte der Anspruch auf Sprachmittlung nicht nur im SGB V, sondern auch im SGB I und SGB X – analog zum Anspruch auf Gebärdensprache für hör- und sprachbehinderte Menschen – verankert werden.

Download:

Positionspapier “Sprachmittlung für fremdsprachige Patient*innen mit psychischen Erkrankungen sicherstellen”

[Abbildung: Pixabay]

28.04.2022
Zum Seitenanfang