Zum Seiteninhalt

Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke ausgezeichnet mit Life Time Achievement Award der European Association for Research in Adolescence

Kammermitglied Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke hat ihre gesamte wissenschaftliche Karriere dieser besonderen Lebensspanne gewidmet: den Jahren, in denen aus Kindern Erwachsene werden. Sie ist fasziniert von Jugendlichen und der Dynamik, die durch die Auseinandersetzungen mit den Eltern entsteht, dem großen Einfluss, den Jugendliche auf ihre Familie ausüben, den Transformationsprozessen und Veränderungen in Beziehungsmustern in dieser Lebensphase. Für ihr Lebenswerk hat die Psychologische Psychotherapeutin am 3. September 2020 in Porto den Life Time Achievement Award der European Association for Research in Adolescence erhalten. Sie ist die erste Frau, die mit dieser Auszeichnung der Fachgesellschaft geehrt wurde. Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz gratuliert der Preisträgerin ganz herzlich!

Die Psychoanalytikerin hatte nach Stationen an den Universitäten Giessen, Berlin und Bonn von 1997 bis 2013 die Professur für Entwicklungspsychologie an der Universität Mainz inne. In einer großen Längsschnittstudie hat sie 300 Familien mit Jugendlichen 15 Jahre lang begleitet und 3000 junge Erwachsene in Ost- und Westdeutschland untersucht. Außerdem ist sie Autorin vieler internationaler Studien, so hat sie beispielsweise zur Stressbewältigung von Jugendlichen in 21 Ländern geforscht. Durch unzählige Fragebögen und Interviews konnte reiches Datenmaterial gewonnen werden. Berufspolitisches Engagement kam dabei nicht zu kurz: Frau Prof. Dr. Seiffge-Krenke ist Mitglied im Ausschuss für Aus- und Weiterbildung der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und hat sich auch auf Bundesebene bei Beratungen der BPtK zur Musterweiterbildungsordnung eingebracht. Sie berichtete dort über die Ergebnisse ihrer langjährigen Forschung: Aufwachsen in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. So gibt es immer mehr Scheidungen und Trennungsfamilien, durch Migration hat die Internationalität zugenommen, neue Medien haben sich einen enormen Einfluss erobert und vor allem hat sich der Stellenwert der Kinder innerhalb der Familie verändert. Kindern sowie ihrer Entwicklung und Ausbildung wird von ihren Eltern in der Regel ein sehr hoher Stellenwert beigemessen, was auch Schattenseiten haben kann. Der Druck, der durch die hohen Erwartungen der Väter und Mütter auf ihnen lastet, kann Ursache für Symptome psychischer Erkrankungen sein. "An die Stelle von autoritärer Kontrolle, Verboten und körperlichen Strafen ist die psychologische Kontrolle geraten", erklärt Frau Prof. Dr. Seiffge-Krenke dieses so genannte "intrusive" Elternverhalten, das manche Mütter und Väter gleichermaßen zeigen.

Die Väter nicht aus dem Blick zu verlieren, ist Frau Prof. Dr. Seiffge-Krenke ein besonderes Anliegen: "90% der Studien über Eltern beschäftigen sich mit Müttern, nur 10% mit Vätern", so die Psychotherapeutin, die selbst viel zur Rolle der Väter geforscht hat. Denn Väter seien für die Entwicklung von Kindern ausgesprochen wichtig: Sie haben eine andere Art, mit Kindern zu spielen, ihnen Dinge zu erklären und sie zu fordern als Mütter. Beide Elternteile steuern wichtige Bestandteile zur Entwicklung und Erziehung der Kinder bei, daher appelliert Seiffge-Krenke an ihre Kolleginn*en, die Väter in der Psychotherapie bei der Elternarbeit unbedingt einzubeziehen.

Außerdem betont sie, dass die Phase des Erwachsenwerdens heutzutage deutlich länger andauert als früher. Zu ihrem Forschungsschwerpunkt, den als "emerging adulthood" bezeichneten Lebensjahren zwischen 18 und 30, erläutert Prof. Dr. Seiffge-Krenke: Jugendliche können sich heute wesentlich länger Zeit lassen, ihren Weg zu suchen. In dieser Phase der Exploration wechseln in der Regel mehrere Versuche, den richtigen Ausbildungsweg für sich zu finden. Anders als früher steht diese lange Explorationsphase nicht mehr nur wohlhabenden jungen Männern offen, sondern – unterstützt von ihren Eltern und ggf. dem Staat – allen jungen Menschen.

Ein Thema, das für die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen eine große Rolle spielt und Frau Prof. Dr. Seiffge-Krenke besonders am Herzen liegt, ist die Entstehung und Gestaltung erster romantischer Beziehungen. Hier hat die Psychotherapeutin unter anderem die Geschlechterrollen sowie den Umgang mit Konflikten untersucht und teilweise erstaunliche Befunde ans Licht gebracht, wovon sie mit großem Enthusiasmus berichten kann. Dass sie mit ganzem Herzen Wissenschaftlerin ist, zeigt sich auch daran, dass sie sich mit der Emeritierung keinesfalls in den Ruhestand verabschiedet hat: Sie freut sich, nun befreit von ihren universitären Verpflichtungen klinische Arbeit und Forschung betreiben zu können. Außerdem hat sie weiterhin Lehraufträge an der International Psychoanalytic University Berlin und der Psychologischen Hochschule Berlin sowie an der der Catolica Pontificat Universitas Lima in Peru, betreibt Psychotherapieforschung und ist als Supervisorin tätig, unter anderem an einer psychosomatischen Klinik für Kinder in Frankfurt.

Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz wünscht Frau Prof. Dr. Seiffge-Krenke weiterhin viel Energie und Zeit für ihre zahlreichen Projekte und bedankt sich herzlich für das interessante Gespräch, auf dessen Grundlage dieser Text entstand.

Prof. Dr. Inge Seiffge-Krenke

24.09.2020
Zum Seitenanfang