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PM: BPtK: Zur Diskussion um die Einführung eines neuen Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik

Zu viele Emotionen, zu wenig sachliche Argumente Zur Diskussion um die Einführung eines neuen Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik Berlin, 28. Februar 2014: Die Diskussion um die Einführung eines neuen Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser (PEPP) wird immer emotionaler. Die Genauigkeit der Argumentation bleibt dabei häufig auf der Stecke. Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) fordert alle Beteiligten auf, zu einer sachlichen Auseinandersetzung zurückzukehren. ·      Die BPtK spricht sich seit Jahren für eine Reform des Entgeltssystems in der stationären Versorgung von psychisch kranken Menschen aus. Diese ist dringend notwendig, da im bisherigen Vergütungssystem („tagesgleiche Pflegesätze“) nicht danach unterschieden wird, welche Behandlungsleistungen ein Patient erhält oder wie schwer er erkrankt ist. Jedes Krankenhaus verhandelt mit den Krankenkassen, wie viel Geld ihm für die Behandlung der Patienten pro Jahr zur Verfügung gestellt wird – das Budget. Aus dem Budget ergeben sich dann die tagesgleichen Pflegesätze. Das Krankenhaus erhält deshalb für jeden Patienten, unabhängig vom Behandlungsaufwand, und jeden Behandlungstag, unabhängig von der Behandlungsdauer, das gleiche Entgelt. Das ist nicht sachgerecht. ·      Das neue Entgeltsystem PEPP unterscheidet bei der stationären Behandlung von psychisch kranken Menschen insbesondere danach, unter welcher Erkrankung sie leiden und wie schwer diese Erkrankung ist. Vor allem die Schwere einer psychischen Erkrankung ist entscheidend dafür, welcher Aufwand für ihre Behandlung notwendig ist. Ein Entgeltsystem, das diesen unterschiedlichen Behandlungsaufwand berücksichtigt, ist sachgerecht. ·      Das neue Entgeltsystem finanziert die stationäre Behandlung von psychisch kranken Menschen zukünftig mit unterschiedlich hohen Tagespauschalen. Diese Tagespauschalen werden ermittelt, indem die Leistungen, die für die Behandlung bspw. einer Angsterkrankung, einer Depression oder Schizophrenie notwendig sind, erfasst und deren Kosten pro Tag berechnet werden. Die Tagespauschalen entsprechen also den durchschnittlichen tatsächlichen Kosten, die für einen Patienten je nach Erkrankung und Dauer des Krankenhausaufenthalts anfallen. Die Höhe der Tagespauschalen wurde auf der Basis der Daten der Kalkulationshäuser, das sind psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser, die sich an der Datenerhebung freiwillig beteiligen, ermittelt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Kosten zu Beginn der Behandlung besonders hoch sind und mit der Dauer der Behandlung sinken. Diese Abnahme der Kosten in der stationären psychiatrischen Behandlung zeigen auch internationale Untersuchungen. Folgerichtig sinken deshalb auch die Tagespauschalen im Verlauf der Behandlung. Die Behandlung kann aber auch mit dem neuen PEPP so lange dauern wie notwendig. Die entstehenden täglichen Kosten sind im Durchschnitt gedeckt. Auch das ist sachgerecht. ·      Das neue PEPP finanziert psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser gerechter als bisher, da es berücksichtigt, welche Leistungen ein Krankenhaus tatsächlich erbringt und welche Patienten es versorgt. Krankenhäuser, die z. B. schwer kranke Patienten behandeln, bekommen für die teurere Behandlung dieser Patienten zukünftig höhere Tagespauschalen als Krankenhäuser, die diese Patienten nicht versorgen. Das ist ein wichtiger qualitativer Fortschritt des neuen gegenüber dem bisherigen Vergütungssystem, das immer die gleichen Pauschalen vorsah. Grundlage der Finanzierung sind aber zukünftig wie heute Tagespauschalen. ·      Einige Kritiker verwechseln diese Tagespauschalen, die nach Diagnose und Schwere der Behandlung unterscheiden, mit Fallpauschalen, wie sie in der Finanzierung von Krankenhäusern für körperlich erkrankte Menschen eingeführt wurden. Bei solchen diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) steht einem Krankenhaus grundsätzlich nur eine fixe Summe für die Behandlung eines Patienten zur Verfügung, unabhängig von der Behandlungsdauer. Dadurch entsteht ein Anreiz, Patienten, die überdurchschnittlich lange behandelt werden müssten, vorzeitig aus dem Krankenhaus zu entlassen. Das System der Tagespauschalen kennt jedoch solche Obergrenzen für die Dauer einer Krankenhausbehandlung nicht. Sollte die Erfahrung mit dem neuen Entgeltsystem tatsächlich zeigen, dass auch Tagespauschalen einen Anreiz setzen, Patienten zu früh zu entlassen, muss dem aktiv gegengesteuert werden. ·      Die BPtK hat sich von Anfang an für eine möglichst genaue Erfassung der Leistungen eingesetzt, die in der stationären Versorgung für psychisch kranke Menschen erbracht werden. Im PEPP-Katalog 2014 wird deshalb z. B. danach unterschieden, ob eine intensive Behandlung durch Psychotherapeuten erfolgt oder nicht. Dieser Weg einer genauen Erfassung der Leistungen muss konsequent weiterverfolgt werden. Die immer noch nicht ausreichend sachgerechte und differenzierte Dokumentation ist der eigentlich kritische Punkt des neuen PEPP. ·      Damit die Tagespauschalen zu einer angemessenen Vergütung der Krankenhausleistungen führen, müssen möglichst viele Krankenhäuser ihre Daten zur Verfügung stellen, mehr als bisher. Je mehr Krankenhäuser bei der Erprobung des neuen PEPP mitmachen und je genauer die Leistungen erfasst werden, desto sachgerechter wird die Finanzierung der stationären Versorgung von psychisch kranken Menschen. Und sollte sich zeigen, dass das PEPP falsche Anreize setzt, kann das neue Entgeltsystem verbessert werden, bevor es verbindlich für alle gilt. Das PEPP ist ein lernendes System. Jeder sollte bereit sein zu lernen. ·      Die BPtK ist für den Beginn der budgetneutralen Phase ab 2015. In der budgetneutralen Phase müssen die Krankenhäuser zwar nach dem PEPP abrechnen, die Krankenhäuser behalten jedoch ihr altes Budget. Kein Krankenhaus hat durch das PEPP bis zum Jahr 2017 andere finanzielle Einbußen zu befürchten als bisher auch. Auch im alten Vergütungssystem konnte es vorkommen, dass es zu Leistungsabweichungen gegenüber der vereinbarten Leistungsmenge gekommen ist. Entsprechende Mehrerlöse (durch Mehrleistungen), aber auch Mindererlöse (durch Minderleistungen) mussten auch im alten System vom Krankenhaus getragen werden. Bedenken gegenüber der budgetneutralen Erprobungsphase sind deshalb nicht nachvollziehbar. ·      Die BPtK verspricht sich durch das neue PEPP vor allem mehr Transparenz über die tatsächlichen Behandlungsangebote. Patienten können zukünftig besser beurteilen, welche Leistungen ein Krankenhaus anbietet. Es wird besser sichtbar, ob Krankenhäuser leitliniengerecht behandeln und ob und in welchem Umfang sie psychotherapeutische Behandlungen anbieten – oder nicht. Psychotherapie ist heute bei allen psychischen Erkrankungen ein oder das Mittel der Wahl, z. B. auch bei schizophrenen und wahnhaften Erkrankungen. ·      Die BPtK ist der Auffassung, dass Empfehlungen zur Strukturqualität in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen, wie sie der Gemeinsame Bundesausschuss als Ersatz für die Psychiatrie-Personalverordnung erarbeiten soll, nicht ausreichen. Die BPtK setzt sich deshalb dafür ein, dass aus den Empfehlungen verbindliche Mindeststandards werden. Die BPtK vertritt rund 40.000 Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Deutschland. Davon arbeiten 5.650 Psychotherapeuten im Krankenhaus, vor allem in der Psychiatrie und Psychosomatik. Im Vergleich dazu sind derzeit nur 2.135 Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychosomatik im Krankenhaus tätig.   
04.03.2014
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