Geplantes Gesetz gefährdet Patient*innensicherheit
Anfang Oktober beginnt im Bundesrat das Beratungsverfahren zum so genannten Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG). Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass Kranken- und Pflegekassen auf der Grundlage von automatisierten Auswertungen von Gesundheitsdaten ihre Versicherten kontaktieren und zu möglichen Gesundheitsrisiken beraten können (vgl. GDNG - § 25b SGB V (neu)). Im Rahmen der Beratungen können die Kassen ihre Versicherten auf schwerwiegende Gesundheitsrisiken hinweisen und ihnen Empfehlungen geben, welche Leistungserbringer*innen sie aufsuchen oder welche Leistungen sie in Anspruch nehmen sollen.
Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz lehnt diesen Vorschlag ausdrücklich ab. Sie hat sich daher mit einem Schreiben an den rheinland-pfälzischen Gesundheitsminister Clemens Hoch sowie an Daniel Stich, Ministerialdirektor im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit, gewandt und sie gebeten, sich im Bundesrat für eine Streichung der umstrittenen Regelung einzusetzen.
Die Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz ist überzeugt, dass mit diesem Regelungsvorschlag keine Verbesserung der Patient*innenensicherheit erreicht wird. Auf Basis der automatisierten Auswertung der Versichertendaten lassen sich keine ausreichend sicheren Aussagen zu schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen oder individuellen Gesundheitsrisiken treffen. Die Information über unbegründete schwerwiegende Gefährdungen durch Kranken- und Pflegekassen kann bei Versicherten zu einer großen Verunsicherung und im schlimmsten Fall sogar zu einer Gefährdung der Patient*innensicherheit führen – etwa, wenn dadurch eigenständig Medikamente abgesetzt werden oder wenn Ängste ausgelöst und die Behandlungsbeziehung beeinträchtigt wird. Eine solche Regelung birgt daher mehr Risiken als Nutzen für die Versicherten.
Völlig unklar ist auch, wie angesichts der angespannten ambulanten Versorgungslage sichergestellt ist, dass Versicherte im Falle eines Kontakts durch die Kranken- oder Pflegekasse zeitnah Rücksprache mit einer Psychotherapeut*in oder Ärzt*in halten können. Angesichts stark beschränkter ambulanter Versorgungsressourcen erscheint es wenig zielführend, durch eine potenziell fehlerhafte Dringlichkeitseinschätzung der Krankenkasse das ambulante Versorgungssystem weiter zu belasten.
Ferner ist zu befürchten, dass der Wettbewerb unter den Krankenkassen dazu führt, dass diese neuen Instrumente eher zur Risikoselektion als zur Förderung von Qualität und Effizienz eingesetzt werden würden. Vor dem Hintergrund ökonomischer Interessenkonflikte sowie negativer Erfahrungen der Versicherten bei der Beratung durch die Krankenkassen sollte auf eine Einmischung der Krankenkassen in die Behandlung bzw. den Zugang zur Behandlung grundsätzlich verzichtet werden.
Welche Art der Behandlung erforderlich ist, entscheiden Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen im Einzelfall auf der Grundlage einer individuellen Diagnostik und Indikationsstellung unter Einbeziehung der Patient*innen. Eine Leistungsempfehlung durch die Kranken- und Pflegekassen auf Basis der automatisierten Verarbeitung von Versichertendaten stellt einen systemfremden und nicht zu rechtfertigenden Eingriff in den heilkundlichen Kompetenzbereich von Psychotherapeut*innen und Ärzt*innen dar. Leistungsempfehlungen durch die Kranken- und Pflegekassen stehen der Trennung von Versicherung und Versorgung fundamental entgegen.