Geflüchtete in Reinland-Pfalz: Zwischen Bedarf und Versorgungsangebot klafft große Lücke
In welchem Verhältnis stehen hierzulande psychosoziale Versorgungslage und psychosozialer Versorgungsbedarf von Geflüchteten? Wie unterscheidet sich die Situation zwischen städtischer und ländlicher Umgebung und je nach Patientengruppe (beispielsweise Kinder und Jugendliche, Frauen, LGBTQ* u.a.)? Wie gestaltet sich die aktuelle Versorgungssituation in den Psychosozialen Zentren (PSZ) in Rheinland-Pfalz? Diesen Fragen ist die Koordinierungsstelle für die interkulturelle Öffnung des Gesundheitssystems in Rheinland-Pfalz auf den Grund gegangen und hat dazu einen Forschungsbericht veröffentlicht, der nun auch als gedruckte Broschüre vorliegt.
Das Projekt wurde im Auftrag des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur und Integration durchgeführt. Die Datenerhebung basiert auf 13 Interviews mit Expert*innen aus den PSZ, Akteuren der Sozialen Arbeit in den jeweiligen PSZ-Regionen und mit Ulrich Bestle, Vorstandsmitglied der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz. Außerdem wurden regional aufbereitete Daten der Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.) für die Erhebung genutzt.
Dass die therapeutische und psychosoziale Infrastruktur für Geflüchtete in Rheinland-Pfalz unzureichend ist, wird schon in der Einleitung der Broschüre deutlich. Der Bedarf übersteigt das Angebot bei Weitem, auch wenn die PSZ einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Versorgung zu verbessern. Wie groß der psychotherapeutische Versorgungsbedarf unter den Geflüchteten ist, macht Ulrich Bestle in der Broschüre deutlich: „Mindestens jeder Fünfte Geflüchtete hat eine Posttraumatische Belastungsstörung. […] und wir haben natürlich auch die Gruppe an Personen, die mit psychischen Erkrankungen zu uns kommen – wie z.B. Schizophrenien, psychotischen Erkrankungen -, die im Grunde auch schon im Heimatland vorlagen und gut versorgt werden müssen“ (S.20). Erschwert wird die Versorgung vor allem durch die fehlende Finanzierung von Sprachmittlung und die eingeschränkten Leistungen durch das AsylbLG. Hinzu kommen unter anderem Vorbehalte gegenüber Psychotherapie auf der Seite der Geflüchteten und Unkenntnis über therapeutische Angebote.
Nicht nur Probleme der Versorgung werden in der Broschüre diskutiert, sondern auch Vorschläge für eine verbesserte Abdeckung des Bedarfs gemacht (ab S. 34). So regt Ulrich Bestle beispielsweise eine stärkere Vernetzung zwischen den PSZ und niedergelassenen Psychotherapeut*innen an und schlägt vor, dass für letztere Schulungen von den PSZ angeboten werden könnten (S. 36). Auch hält er eine stärkere Übertragung von erfolgreichen Strategien einzelner PSZ auf andere PSZ für sinnvoll: „So dass im Grunde nicht jedes PSZ das Rad neu erfinden muss“ (S.37).
„Kooperation, Zusammenarbeit und Vernetzung müssen den Kern des Ausbauprozesses bilden“, resümieren auch die Verfasser der Broschüre (S.38). Deutlich zeige die Erhebung, dass der Weg zu einer besseren Bedarfsabdeckung eine große Herausforderung darstelle. Die Reformierung von Strukturen im Gesundheitswesen, insbesondere die Übernahme von Sprachmittlungskosten aber auch die Erweiterung von Kassensitzen, spiele dabei eine zentrale Rolle. Die Anbindung Geflüchteter im Regelsystem sei unerlässlich, um der Versorgung des Bedarfs gerecht zu werden.
Den Bericht „Psychosoziale Versorgungs- und Bedarfssituation von Geflüchteten in Rheinland-Pfalz“ finden Sie hier.