Fachtag Post-Covid: Vernetzung zentral, um Versorgung zu verbessern
Das Thema Corona-Pandemie ist für die meisten Menschen abgeschlossen, nur noch eine unangenehme Erinnerung an schwere Zeiten. Dies gilt jedoch nicht für Patient*innen, die an Post-Covid erkrankt sind. Sie leiden Monate oder sogar Jahre nach einer Covid-Infektion immer noch unter schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen und sind häufig nicht in der Lage, ihr vorheriges Leben fortzuführen. Betroffene sind meist belastungsintolerant und reizempfindlich, in der Regel nicht mehr voll erwerbsfähig, Kinder können die Schule nicht besuchen. Nicht selten sind die Beeinträchtigungen so groß, dass die Patient*innen das Bett kaum verlassen können. In Rheinland-Pfalz leiden mindestens 16.000 Personen an ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue-Syndrom), der schwersten Langzeit-Folgeerscheinung einer Covid- oder anderen Infektion. Wie kann die Versorgung der Betroffenen verbessert werden?
Um dieser Frage nachzugehen, veranstaltete das rheinland-pfälzische Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit (MWG) am 26. März 2025 gemeinsam mit der Landespsychotherapeutenkammer, der Landesärztekammer, der Landeszentrale für Gesundheit und anderen Kooperationspartner*innen des Runden Tisches Post-Covid Rheinland-Pfalz einen Fachtag Post-Covid unter dem Motto „Wissen teilen, Netzwerke stärken und Perspektiven entwickeln“. Der Fachtag richtet sich an Akteur*innen aus den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens und der sozialen Sicherung, die in die Versorgung von Post-Covid-Betroffenen involviert sind, und stieß dort auf sehr großes Interesse: Die Veranstaltung war innerhalb von einer Woche ausgebucht. Von den über 200 Teilnehmer*innen, die Staatssekretärin Nicole Steingaß (MWG) zum Fachtag begrüßen konnte, waren rund 2/3 Psychotherapeut*innen.
Sabine Maur, Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, freute sich sehr über das große Interesse ihres Berufsstandes an diesem wichtigen Thema. Die Kammerpräsidentin referierte auf dem Fachtag über die „Psychologischen Faktoren und psychotherapeutische Unterstützung bei Post-Covid“. Sie warnte sowohl davor, Post-Covid zu bagatellisieren und zu psychologisieren (also die Symptome als rein psychologische Erkrankung zu bewerten) als auch davor, die psychologische Komponente der Erkrankung zu ignorieren. Zwar ist Post-Covid eine neuroimmunologische Erkrankung, doch da sie massiv in alle Lebensbereiche eingreift, geht sie für die Betroffenen häufig auch mit großen psychischen Belastungen einher. Hier kann psychotherapeutische Unterstützung hilfreich sein, die allerdings stark an das Krankheitsbild angepasst werden muss: So überfordert beispielsweise die übliche Länge der Behandlungseinheiten von 50 Minuten viele schwer Kranke, zudem ist videogestützte und aufsuchende Behandlung in diesem Kontext sehr wichtig. Um reine Videotherapie zu ermöglichen, die viele schwer Betroffene bräuchten, wäre allerdings eine Anpassung der Berufsordnung nötig. (Die Präsentation zum Vortrag von Frau Maur finden Sie hier.)
Als Keynote-Speakerin wurde die international anerkannten Post-Covid- und ME/CFS-Expertin Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen vom Institut für medizinische Immunologie der Berliner Charité per Video zugeschaltet. Sie gab einen informativen Überblick zu den aktuellen medizinischen Erkenntnissen und deren Anwendung in der Versorgung. Die Referentin machte deutlich, dass bisher keine heilende Therapie für Post-Covid zur Verfügung steht, es aber dennoch wertvolle Erkenntnisse über teilweise erfolgreiche Ansätze zur Behandlung einzelner Symptome gibt (meist Off Label-Therapie). Der Verbreitung dieses Wissens und der Vernetzung unter den Behandelnden kommt daher eine große Bedeutung zu.
Weitere Referent*innen waren Dr. Astrid Weber, die die Post-Covid-Ambulanz in Koblenz leitet und von den Herausforderungen in der praktischen Arbeit mit den schwer Kranken berichtete, sowie Prof. Dr. Philipp Wild von der Universitätsmedizin Mainz, der das Projekt „TheraSurv Post-Covid“ vorstellte. Mit Hilfe einer App können Patient*innen und Behandelnde künftig wissenschaftlich begleitet Daten zur Behandlung von Post-Covid-Symptomen zusammentragen, und so ihren Erfahrungsschatz zu teilen und letztlich dadurch die Versorgung zu verbessern.
In die abschließende Dialog-Runde, an der Frau Maur und die übrigen Referent*innen teilnahmen, wurde auch die Perspektive der Betroffenen eingebracht: Johanna Theobald (Selbsthilfegruppe Mainz und Long Covid Deutschland) sowie Karin Ritter (NichtGenesen Kids e.V.) gaben erschütternde Einblicke in die Lebensrealität der Patient*innen und ihrer Familie.
Die Dialog-Runde machte deutlich, dass das Engagement zur Versorgung von Post-Covid-Patient*innen in Rheinland-Pfalz vorbildlich ist: Die Einbindung aller relevanter Akteur*innen und die Vernetzung durch den Runden Tisch Post-Covid sowie durch gemeinsame Veranstaltungen, sind ebenso wie die Schaffung der fünf Post Covid-Ambulanzen wichtige Schritte auf dem richtigen Weg. Obwohl es für dieses Engagement viel Lob gab, war auch offensichtlich, dass die Versorgung dieser Patientengruppe immer noch völlig unzureichend ist: Die Kapazitäten reichen bei Weitem nicht aus, so dass in den Ambulanzen Wartezeiten von bis zu zwei Jahren bestehen. Auch Psychotherapieplätze sind rar. Hinzu kommt, dass viele schwerst Betroffene gar nicht den Weg in die Versorgung finden, da sie auf aufsuchende Angebote angewiesen sind, die dringend ausgebaut werden müssten.
Alle Akteur*innen waren sich einig, dass für die Versorgung der Post-Covid-Patient*innen eine gute Vernetzung aller Behandelnden zentral ist. Daher wurde der Fachtag Post Covid als Forum für den Austausch sehr gelobt. Dieser Veranstaltung sollen weitere folgen: Zu bestimmten Unterthemen der Versorgung werden digitale Satelliten-Veranstaltungen angeboten werden, deren Termine dann auf der Homepage www.postcovid-rlp.de bekannt gemacht werden.
- Auf der Homepage www.postcovid-rlp.de finden Behandelnde und Betroffene zahlreiche weitere Informationen zu der Erkrankung und den Postcovid-Ambulanzen.
- Die Vorträge des Fachtags wurden aufgezeichnet und werden in Kürze online über https://www.postcovid-rlp.de/fachtag verfügbar sein.
- Die Präsentation zum Vortrag "Psychologische Faktoren und psychotherapeutische Unterstützung bei Post-Covid" von Sabine Maur finden Sie hier.
- Eine Pressemeldung des MWG zum Fachtag Post Covid finden Sie hier.