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Abschlussveranstaltung zum LPK-Modellprojekt "Der Depression Beine machen!" am 23. Nov. 2016

„Bewegung ist wie ein psychotherapeutisches Schweizer Messer“. Mit diesem Bild verdeutlichte Prof. Dr. Gerhard Huber vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Heidelberg, die Vielzahl der positiven Effekte von Bewegung auf Körper und Psyche. Neben den körperlichen und psychosozialen Auswirkungen verändere Bewegung depressionsspezifische Einstellungen wie etwa die negative Bewertung der eigenen Person. Obwohl die positiven Effekte von Bewegung auf die psychische Gesundheit längst wissenschaftlich belegt sind, wird ihr Potential noch wenig genutzt. Hier setzte das Modellprojekt „Der Depression Beine machen!“ an. Seit Herbst 2015 wurden an den drei Standorten Koblenz, Mainz und Landau Laufgruppen für Menschen mit Depression erprobt. Jede Gruppe wurde von einer sportfachlichen und einer psychotherapeutischen Begleitperson unterstützt, die Teilnahme war kostenlos. Das Projekt wurde vom Zentrum für empirische pädagogische Forschung an der Universität Koblenz-Landau wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Ein Jahr nach dem Projektstart war es nun an der Zeit, Bilanz zu ziehen: Am 23. November luden daher die Landeszentrale für Gesundheitsförderung (LZG) und die LPK RLP sowie ihre Projektpartner zur abschließenden Fachveranstaltung in das ZDF-Konferenzzentrum ein. Moderiert wurde der Abend von Dr. Matthias Krell, dem Geschäftsführer der LZG. Dass kein klassischer Vortragsabend, sondern eine dialogische Veranstaltung geplant war, spiegelte sich schon in der ungewöhnlichen Bestuhlung des Raumes. Stühle und Tische für die über 60 Teilnehmer waren zu Sitzgruppen zusammengestellt, von denen eine für die Akteure des „Eröffnungstalks“ reserviert war: Die Schirmherrin der Veranstaltung, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie wurde durch Dr. Julia Schwaben, die Referatsleiterin für Psychiatrische Versorgung, vertreten. Neben ihr stellten Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Stefan Groh von der Techniker Krankenkasse und Petra Regelin, in ihrer Funktion als Vizepräsidentin des Rheinhessischen Turnerbundes, ihre Perspektive auf das Modellprojekt dar.

Frau Regelin betonte, dass mit dem Modellprojekt in Rheinland-Pfalz etwas völlig Neues gewagt wurde: Dass Bewegung großes Potential hat, Erkrankungsverläufe positiv zu beeinflussen, war bereits bekannt – ob es allerdings gelingen würde, Menschen mit Depression zu motivieren, ein ambulantes Bewegungsangebot anzunehmen, war zu Beginn des Projekts noch nicht abzusehen. Frau Dr. Benecke fügte hinzu, dass gerade dadurch, dass Depressionen zu Antriebslosigkeit und Rückzug führen, die innere Hürden besonders hoch seien, an einem Lauftreff teilzunehmen. Der Vorstand der LPK habe sich aber gleich von Frau Regelin für das Projekt begeistern lassen, um zu sehen, ob ein solches Angebot im ambulanten Bereich gut von den Betroffenen angenommen würde. Zudem sei das Laufprojekt eine gute Hilfe in der oft langen Wartezeit auf einen Therapieplatz gewesen: Da jede Laufgruppe von einem Psychotherapeuten begleitet wurde, konnten die Teilnehmer sich dort Unterstützung holen und sich außerdem mit anderen Betroffenen austauschen.

Im Anschluss an den Eröffnungstalk erläuterte der oben bereits erwähnte Prof. Dr. Gerhard Huber, auf welche Weise Laufen gegen Depression wirkt. Bewegungstherapie sei generell bei Depressionen sehr wichtig, besonders hohe Effektstärken zeige aber das Laufen. Bei leichten und moderaten Depressionen habe Bewegung einen vergleichbaren Effekt wie Medikamente und Psychotherapie, bei schweren Depressionen sei Bewegungstraining eine sehr wertvolle komplementäre Therapie. Da es sich eine einfache zyklische Bewegung handle und schnell Erfolge sichtbar werden, eigne sich das Laufen besonders gut für die Therapie.

Dass die Teilnehmer des Modellprojekts Hubers Forschungsergebnisse bestätigen konnten, wurde im nächsten Fachvortrag deutlich: Dr. Julia Fluck vom Zentrum für empirische pädagogische Forschung stellte die Ergebnisse der Projekt-Evaluation vor. Die Teilnehmer wurden zu Beginn des Projektes befragt, einmal während der Laufzeit des Projektes und einmal am Ende. 89 Teilnehmer waren es bei der ersten Befragung, beim zweiten Messpunkt 46 und zum Schluss waren es noch 33, die seit Beginn des Projektes dabei waren. Das Altersspektrum lag zwischen 30 und 60, auch Familien- und Arbeitssituation waren breit gefächert; 31% waren männlich, 69% weiblich. Die Befragungsergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer sich nach dem Laufen statistisch signifikant besser fühlten und fast alle berichteten über erfüllte Erwartungen an das Projekt. Die Schulnoten, die die Teilnehmer für die Übungsleiter, die Laufstrecke, das Laufen in der Gruppe, den Trainingsablauf etc. vergeben konnten, bewegten sich zwischen 1 und 2. Insgesamt wurde dem Projekt eine Durchschnittsnote von 1,7 gegeben. Gefragt, wie hilfreich sie das Laufprojekt für Menschen mit Depression fanden, gaben 32 Teilnehmer an, dass sie es sehr gut fanden.
Besonders schön war für die Organisatoren des Projekts, dass einige Teilnehmer zur Abschlussveranstaltung ins Konferenzzentrum gekommen waren, um ihre Erfahrungen zu schildern. Ein Teilnehmer aus Koblenz erklärte, dass es für ihn wichtig gewesen sei, zu sehen, dass er mit seiner Erkrankung nicht alleine war. Er sei sehr dankbar für das Projekt und freue sich, dass man aus den erhobenen Zahlen jetzt insgesamt so eine positive Bilanz ziehen könne. „Wir haben während dem Laufen gequatscht…es sind die ganz einfachen Dinge, die einem da raus helfen“, berichtete er. Ein zweiter Teilnehmer schilderte es ähnlich. Nach „49 sportfreien Jahren“ sei es ihm jedes Mal schwer gefallen, an dem Lauf teilzunehmen, aber da er die Treffen als so hilfreich empfand, habe er bis zum Ende durchgehalten. Es sei wie eine „Gruppentherapie mit Bewegung“ gewesen.

Auch verschiedene Lauftrainer und Dr. Paul Nilges, der als Psychotherapeut die Mainzer Gruppe begleitete, kamen zu Wort und lobten das Projekt. Allerdings kam hier schnell das Problem der zukünftigen Finanzierung der Lauftreffs zur Sprache. Herr Groh von der Techniker Krankenkasse (TK) versicherte, dass sich die TK an der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten beteiligen wolle und Frau Dr. Schwaben versprach, sich ebenfalls für das Projekt einzusetzen. Alle Teilnehmer der Abschlussveranstaltung waren sich einig: Nachdem das Modellprojekt nun gezeigt hat, dass auch im ambulanten Bereich Bewegungsangebote von Menschen mit Depression gut angenommen werden und sehr positive Effekte haben, muss die Finanzierung sichergestellt werden. Wünschenswert wäre eine Übernahme in die Regelversorgung. Wenn die Finanzierung gesichert ist, wäre die Etablierung von weiteren Standorten ein sinnvoller Schritt, damit die Teilnehmer keine zu langen Wege zu den Lauftreffs haben und die Gruppen nicht zu groß werden. Moderator Krell fasste das Ergebnis des Abends zusammen: Keinesfalls sollte das Projekt eine „Eintagsfliege bleiben“. Oder wie es ein Teilnehmer im Abschluss-Fragebogen ausdrückte: Nicht gefallen habe ihm an dem Projekt, „dass es nun leider zu Ende ist.“ Die LPK dankt allen, die dazu beigetragen haben, das Modellprojekt zu ermöglichen, insbesondere ihren Mitgliedern, die als Psychotherapeuten in den Gruppen mitgelaufen sind: Franziska Sperl in Koblenz, Dr. Jens Heider in Landau sowie Dr. Paul Nilges, Ulrike Steinmüller-Lahham und Karin Kerschensteiner-Steurenthaler in Mainz. Die Präsentation von Dr. Julia Fluck mit den Ergebnissen der Evaluation finden Sie hier.
Die Präsentation von Prof. Dr. Gerhard Huber finden Sie hier. Auch die ÄrzteZeitung berichtete über die Ergebnisse des Modellprojektes. Den Artikel finden Sie hier.

Am 16.12.2016 erschien außerdem in der Allgemeinen Zeitung ein Bericht über das Projekt; sie finden ihn hier. Am 7.4.2017 sendete der SWR einen Beitrag über das Modellprojekt; sie finden ihn hier.

01.12.2016
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