32. Deutscher Psychotherapeutentag
BPtK-News: Der 32. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) am 20. und 21. April 2018 in Bremen forderte, die Reform der Psychotherapeutenausbildung zügig abzuschließen. Dabei votierte er für eine Erprobungsklausel, um die Ausbildung der Psychotherapeuten künftig flexibel an Veränderungen anpassen zu können. Außerdem stellte der 32. DPT die Weichen für eine konsequentere Frauenförderung und forderte von der Politik einen Ausbau der ambulanten Versorgung, insbesondere außerhalb von Ballungszentren und im Ruhrgebiet, um die unzumutbar langen Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Behandlung zu verringern.
Senatorin Quante-Brandt: „Das Schiff ins Wasser kriegen“
Die bremische Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, Prof. Dr. Eva Quante-Brandt, begrüßte die Delegierten und war zuversichtlich, dass es in „naher Zukunft“ ein „tragfähiges Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung gebe“. Strittig sei noch die Frage nach dem Hochschultyp, deren Klärung für die Reform notwendig sei. Hier könne und müsse es aber einen Kompromiss geben. Man werde, so sage man in Bremen, das Schiff schon „ins Wasser kriegen“.
Der Bremer Kammerpräsident Karl Heinz Schrömgens erinnerte daran, dass vor zehn Jahren bereits einmal ein DPT in Bremen stattgefunden habe. Die damals amtierende Gesundheitssenatorin habe die Ausbeutung der Psychotherapeuten in Ausbildung gegeißelt und der Profession Hoffnung gemacht, dass dieser Missstand bald abgeschafft werde. Zehn Jahre später sei jetzt zumindest zu erwarten, dass dies in absehbarer Zeit geschehe. Schrömgens forderte eine Gleichstellung von Fachärzten und Psychotherapeuten in der Versorgung. Dies gelte sowohl für den stationären wie für den ambulanten Bereich. Kooperation erfordere ein konstruktives und gleichberechtigtes Miteinander, das Reklamieren von Vorrangstellungen sei hier nur hinderlich. Daher plädiere er auch dafür, wenn nötig, die Option der Verordnung von Psychopharmaka zu nutzen. Der Ökonomisierung der Lebens- und Arbeitswelt Grenzen setzen
Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), ging im Bericht des Vorstands auf den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ein. Positiv sei, dass die Bundesregierung psychische Erkrankungen zu den Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts zähle und es für sie zu den Aufgaben des deutschen Gesundheitssystems gehöre, psychisch kranke Menschen angemessen zu versorgen. Dafür sollten allerdings auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in Deutschland so sein, dass sie gesund bleiben können. Munz wies darauf hin, dass nach dem Arztreport 2018 der BARMER der Anteil junger Erwachsener mit mindestens einer psychischen Störung von 2005 bis 2017 um 38 Prozent angestiegen sei. Deshalb komme es bei der Offensive der Bundesregierung für Bildung, Forschung und Digitalisierung nicht nur darauf an, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken, sondern ebenso sehr gehe es darum, das Schul- und Ausbildungssystem so zu gestalten, dass jungen Menschen ausreichend Raum gelassen werde, psychisch gesund heranzuwachsen. Junge Menschen seien „keine Rohlinge, die unser Schul- und Ausbildungssystem zu verwertbarem Humankapital formen könne. Sie so zu behandeln, macht offensichtlich krank“, so der BPtK-Präsident.
Anhand der Auswertung der Bundesregierung zur Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeit nach Wirtschaftszweigen lasse sich zeigen, dass vor allem Arbeitnehmer im Gesundheits- und Sozialwesen überdurchschnittlich häufig wegen psychischer Erkrankungen fehlen. Das Risiko, wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig zu werden, sei demnach in Berufen, bei denen es darum geht, sich um andere Menschen zu kümmern und für sie da zu sein, am höchsten. Für Pflegende, Ärzte und Psychotherapeuten sei unverzichtbar, ausreichend Zeit für ihre Patientinnen und Patienten zu haben, um ihnen mit dem notwendigen Respekt zu begegnen, sie als Individuen wahrzunehmen und angemessen zu pflegen, zu versorgen und zu behandeln. Diese Zeit müsse man den im Gesundheitswesen Tätigen lassen. Beschneide man diese Zeit, werden Patienten nicht angemessen versorgt und die im Gesundheitswesen tätigen Menschen werden auch an dem Widerspruch erkranken, dass sie die Arbeit mit den Patienten nicht so gestalten können, wie es aus ihrer Sicht notwendig ist. Es komme also nicht nur darauf an, zum Beispiel Pflegende besser zu honorieren und mehr Personal vorzusehen. Es komme darauf an, dass nicht Ökonomen über den Umgang mit der knappen Ressource „Zeit“ entscheiden, sondern diejenigen, die im Gesundheitswesen im unmittelbaren Kontakt mit den Patienten arbeiten, zum Beispiel Pflegende, Ärzte und Psychotherapeuten. In der anschließenden Debatte begrüßten viele Delegierte diesen Appell für eine humane Gesellschaft. Es gehe darum, sich für Freiheit, Solidarität, Gleichheit, Privatheit und Teilhabe zu engagieren und der Ökonomisierung unserer Gesellschaft klare Grenzen zu setzen. [...]Relevante Schritte Richtung Frauenförderung
Der 32. DPT unternahm für die BPtK als erste der Heilberufekammern auf Bundesebene Schritte in Richtung konsequente und verbindliche Förderung der Frauen in den Gremien der BPtK. Eine Arbeitsgruppe von Frauen aus den Landespsychotherapeutenkammern und dem Vorstand der BPtK hatte sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie es der Profession gelingen kann, die Repräsentanz von Frauen in den Gremien der BPtK zu erhöhen. Dies war der Bund-Länder-AG „Frauen in der Berufspolitik“ ein dringliches Anliegen, unter anderem vor dem Hintergrund, dass 72 Prozent der Kammermitglieder Frauen sind. Bei den unter 35-jährigen Kammermitgliedern liegt der Frauenanteil bei über 90 Prozent. In den BPtK-Gremien bildet sich dieses Verhältnis jedoch nicht ab. So ist zum Beispiel im BPtK-Vorstand aktuell nur eins von fünf Vorstandsmitgliedern weiblich. Es handelt sich um Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz.
Eingangs skizzierten Dr. Andrea Benecke, die Hamburger Kammerpräsidentin Heike Peper sowie die hessische Kammerpräsidentin Dr. Heike Winter für die Bund-Länder-AG die Vorschläge zur Einführung von Quotenregelungen. Der Entscheidung für eine Quote sei ein intensiver interner Diskussionsprozess vorausgegangen. Man habe sich jedoch davon überzeugen lassen, dass nur verbindliche Quoten wirklich zu einem Anstieg des Frauenanteils führen. Guter Beleg dafür seien zum Beispiel die Quoten der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. [...] Den ausführlichen Bericht der BPtK zum 32. Deutschen Psychotherapeutentag mit vielen Fotos finden Sie hier.Resolutionen und Vorträge zum Download:
Senatorin Quante-Brandt: „Das Schiff ins Wasser kriegen“
Die bremische Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz, Prof. Dr. Eva Quante-Brandt, begrüßte die Delegierten und war zuversichtlich, dass es in „naher Zukunft“ ein „tragfähiges Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung gebe“. Strittig sei noch die Frage nach dem Hochschultyp, deren Klärung für die Reform notwendig sei. Hier könne und müsse es aber einen Kompromiss geben. Man werde, so sage man in Bremen, das Schiff schon „ins Wasser kriegen“.
Der Bremer Kammerpräsident Karl Heinz Schrömgens erinnerte daran, dass vor zehn Jahren bereits einmal ein DPT in Bremen stattgefunden habe. Die damals amtierende Gesundheitssenatorin habe die Ausbeutung der Psychotherapeuten in Ausbildung gegeißelt und der Profession Hoffnung gemacht, dass dieser Missstand bald abgeschafft werde. Zehn Jahre später sei jetzt zumindest zu erwarten, dass dies in absehbarer Zeit geschehe. Schrömgens forderte eine Gleichstellung von Fachärzten und Psychotherapeuten in der Versorgung. Dies gelte sowohl für den stationären wie für den ambulanten Bereich. Kooperation erfordere ein konstruktives und gleichberechtigtes Miteinander, das Reklamieren von Vorrangstellungen sei hier nur hinderlich. Daher plädiere er auch dafür, wenn nötig, die Option der Verordnung von Psychopharmaka zu nutzen. Der Ökonomisierung der Lebens- und Arbeitswelt Grenzen setzen
Dr. Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), ging im Bericht des Vorstands auf den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ein. Positiv sei, dass die Bundesregierung psychische Erkrankungen zu den Volkskrankheiten des 21. Jahrhunderts zähle und es für sie zu den Aufgaben des deutschen Gesundheitssystems gehöre, psychisch kranke Menschen angemessen zu versorgen. Dafür sollten allerdings auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in Deutschland so sein, dass sie gesund bleiben können. Munz wies darauf hin, dass nach dem Arztreport 2018 der BARMER der Anteil junger Erwachsener mit mindestens einer psychischen Störung von 2005 bis 2017 um 38 Prozent angestiegen sei. Deshalb komme es bei der Offensive der Bundesregierung für Bildung, Forschung und Digitalisierung nicht nur darauf an, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken, sondern ebenso sehr gehe es darum, das Schul- und Ausbildungssystem so zu gestalten, dass jungen Menschen ausreichend Raum gelassen werde, psychisch gesund heranzuwachsen. Junge Menschen seien „keine Rohlinge, die unser Schul- und Ausbildungssystem zu verwertbarem Humankapital formen könne. Sie so zu behandeln, macht offensichtlich krank“, so der BPtK-Präsident.
Anhand der Auswertung der Bundesregierung zur Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeit nach Wirtschaftszweigen lasse sich zeigen, dass vor allem Arbeitnehmer im Gesundheits- und Sozialwesen überdurchschnittlich häufig wegen psychischer Erkrankungen fehlen. Das Risiko, wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig zu werden, sei demnach in Berufen, bei denen es darum geht, sich um andere Menschen zu kümmern und für sie da zu sein, am höchsten. Für Pflegende, Ärzte und Psychotherapeuten sei unverzichtbar, ausreichend Zeit für ihre Patientinnen und Patienten zu haben, um ihnen mit dem notwendigen Respekt zu begegnen, sie als Individuen wahrzunehmen und angemessen zu pflegen, zu versorgen und zu behandeln. Diese Zeit müsse man den im Gesundheitswesen Tätigen lassen. Beschneide man diese Zeit, werden Patienten nicht angemessen versorgt und die im Gesundheitswesen tätigen Menschen werden auch an dem Widerspruch erkranken, dass sie die Arbeit mit den Patienten nicht so gestalten können, wie es aus ihrer Sicht notwendig ist. Es komme also nicht nur darauf an, zum Beispiel Pflegende besser zu honorieren und mehr Personal vorzusehen. Es komme darauf an, dass nicht Ökonomen über den Umgang mit der knappen Ressource „Zeit“ entscheiden, sondern diejenigen, die im Gesundheitswesen im unmittelbaren Kontakt mit den Patienten arbeiten, zum Beispiel Pflegende, Ärzte und Psychotherapeuten. In der anschließenden Debatte begrüßten viele Delegierte diesen Appell für eine humane Gesellschaft. Es gehe darum, sich für Freiheit, Solidarität, Gleichheit, Privatheit und Teilhabe zu engagieren und der Ökonomisierung unserer Gesellschaft klare Grenzen zu setzen. [...]Relevante Schritte Richtung Frauenförderung
Der 32. DPT unternahm für die BPtK als erste der Heilberufekammern auf Bundesebene Schritte in Richtung konsequente und verbindliche Förderung der Frauen in den Gremien der BPtK. Eine Arbeitsgruppe von Frauen aus den Landespsychotherapeutenkammern und dem Vorstand der BPtK hatte sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie es der Profession gelingen kann, die Repräsentanz von Frauen in den Gremien der BPtK zu erhöhen. Dies war der Bund-Länder-AG „Frauen in der Berufspolitik“ ein dringliches Anliegen, unter anderem vor dem Hintergrund, dass 72 Prozent der Kammermitglieder Frauen sind. Bei den unter 35-jährigen Kammermitgliedern liegt der Frauenanteil bei über 90 Prozent. In den BPtK-Gremien bildet sich dieses Verhältnis jedoch nicht ab. So ist zum Beispiel im BPtK-Vorstand aktuell nur eins von fünf Vorstandsmitgliedern weiblich. Es handelt sich um Dr. Andrea Benecke, Vizepräsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz.
Eingangs skizzierten Dr. Andrea Benecke, die Hamburger Kammerpräsidentin Heike Peper sowie die hessische Kammerpräsidentin Dr. Heike Winter für die Bund-Länder-AG die Vorschläge zur Einführung von Quotenregelungen. Der Entscheidung für eine Quote sei ein intensiver interner Diskussionsprozess vorausgegangen. Man habe sich jedoch davon überzeugen lassen, dass nur verbindliche Quoten wirklich zu einem Anstieg des Frauenanteils führen. Guter Beleg dafür seien zum Beispiel die Quoten der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. [...] Den ausführlichen Bericht der BPtK zum 32. Deutschen Psychotherapeutentag mit vielen Fotos finden Sie hier.Resolutionen und Vorträge zum Download:
- Vortrag Dr. Nikolaus Melcop, Peter Lehndorfer, Dr. Dietrich Munz: Reform der Psychotherapeutenausbildung
- Vortrag Dr. Dietrich Munz: Bericht des Vorstandes
- Vortrag Dr. Andrea Benecke, Heike Peper, Dr. Heike Winter: Frauen in der Berufspolitik - Politik ist (auch) Frauensache
- Vortrag Dr. Dietrich Munz: Evaluation der Reform der Psychotherapie-Richtlinie
- Vortrag Prof. Dr. Holger Schulz: Evaluation der Reform der Psychotherapie-Richtlinie
- Vortrag Dr. Thomas Guthke: Novellierung der Musterfortbildungsordnung
- Resolution "Für Stärkung der psychotherapeutischen Kompetenz und der Kooperation mit Ärzten und anderen Heilberufen"
- Resolution "Psychotherapeuten fordern Versorgungsorientierung für die Reform der Ausbildung"
- Resolution "Digitalisierung im Gesundheitswesen: e-Health mitgestalten und Datenschutz sicherstellen"
- Resolution "Besondere Erfordernisse der Kinder‐ und Jugendlichenpsychotherapie berücksichtigen!"
- Resolution "Krankenhäuser nicht sicherheitspolitisch missbrauchen. Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz – ein bedrohlicher Rückschritt"
- Resolution "Psychischen Erkrankungen mehr Aufmerksamkeit geben – Koalitionsvertrag umsetzen"
- Resolution "Die Würde des Menschen ist unantastbar"
- Satzung der BPtK
- Musterfortbildungsordnung der BPtK
07.05.2018