29. Deutscher Psychotherapeutentag am 19. Nov. 2016 in Hamburg - Umfassende Reform des Psychotherapeutengesetzes notwendig
Der 29. Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) votierte mit sehr großer Mehrheit dafür, die umfassende Reform des Psychotherapeutengesetzes weiter voranzutreiben. Themen waren außerdem die Reform der Bedarfsplanung, die neue psychotherapeutische Sprechstunde, die Förderung von Frauen in der Berufspolitik sowie die geplante Satzungsänderung zur Verringerung der Delegiertensitze für künftige Psychotherapeutentage.
Cornelia Prüfer-Storcks begrüßte die Delegierten in der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Senatorin für Gesundheit erwartete, dass die Reform des Psychotherapeutengesetzes nach Vorlage der Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) „zügig zu Ende geführt“ würde. Sie machte deutlich, dass eine Struktur der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung, die mit anderen Heilberufen vergleichbar sei, die Probleme der jetzigen Psychotherapeutenausbildung lösen könne.
Sie erinnerte daran, dass psychische Erkrankungen immer häufiger ursächlich für Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit seien. Auch wenn die Prävalenz psychischer Erkrankungen nicht ansteige, sei die Diagnostik verbessert worden, würden Erkrankungen schneller erkannt und seien die Betroffenen heute eher bereit, sich bei psychischen Beschwerden Hilfe zu holen. Sie gehe daher davon aus, dass die Inanspruchnahme von Psychotherapie weiter steigen werde – und dies sei positiv. Es müsse jedoch der Entwicklung entgegenwirkt werden, jede Lebenskrise zu pathologisieren. Gleichzeitig müssten psychische Erkrankungen aber weiter entstigmatisiert werden. Ferner müsse dafür gesorgt werden, dass auch den Menschen geholfen werden könne, die bisher keine Hilfe erhielten. Die heutige Bedarfsplanung, stellte die Gesundheitssenatorin fest, sei „nicht der Weisheit letzter Schluss“. Auch die Länder forderten eine stärker an Sozial- und Morbiditätsfaktoren ausgerichtete Planung, weshalb sie die konzeptionellen Vorschläge der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) für eine Reform der Bedarfsplanung begrüße. Zum Schluss ihres Grußwortes ging Prüfer-Storcks auf die Versorgung von Flüchtlingen in Hamburg ein. Es sei notwendig, psychisch kranken Flüchtlingen eine adäquate Unterstützung und Behandlung anzubieten. Dabei müsse aber genau unterschieden werden, wer und wie viele wirklich behandlungsbedürftig seien. Ihr seien der besondere Stellenwert der Sprache und damit der notwendige Einsatz von Dolmetschern für ein psychotherapeutisches Behandlungsangebot bewusst, weshalb sie wie auch die anderen Mitglieder der Gesundheitsministerkonferenz es bedauerten, dass auf Bundesebene der Vorschlag der BPtK und der Bundesärztekammer zur Einrichtung und Finanzierung eines Dolmetscherpools für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen nicht realisiert wurde. Darüber hätten einerseits entsprechend qualifizierte Dolmetscher vermittelt, aber auch wichtige Aufgaben der Qualitätssicherung übernommen werden können. Hamburg habe deshalb die Sache selbst in die Hand genommen. Es gebe nun ein Koordinierungszentrum, das für Flüchtlinge sowohl den Zugang zur Versorgung regele als auch Dolmetscherleistungen und deren Finanzierung vermittle. Damit sei Hamburg ein Beispiel für den Bund.
In Hamburg, berichtete Heike Peper, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hamburg, habe man Erfahrungen mit komplexen und langwierigen Vorhaben. Sie ließ kurz Revue passieren, mit welchen Schwierigkeiten die Stadt seit 2005 gekämpft habe, um die Elbphilharmonie zu bauen. Trotz all dieser Schwierigkeiten würdigte der Dirigent des Philharmonieorchesters den fertigen Konzertsaal aber als so schön, „wie wir es uns in unseren schönsten Träumen nicht haben vorstellen können“. Große Projekte, das sei auch die Erfahrung in Hamburg, bergen Risiken. Man brauche gute Konstruktionspläne, deren sorgfältige Umsetzung und einen langen Atem. Nach Heike Peper sind all diese Voraussetzungen im Projekt Transition zur Reform der Psychotherapeutenausbildung gegeben. Deshalb hoffe sie, dass das Fazit zu diesem Großprojekt am Schluss ähnlich positiv ausfalle, wie das zur Elbphilharmonie.
Einstieg in eine morbiditätsorientierte Bedarfsplanung möglich Im Bericht des Vorstandes skizzierte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz die Forderungen der Bundeskammer an die anstehende Reform der Bedarfsplanung. Basis sei ein Gutachten, das die BPtK gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben hatte. Das vom IGES-Institut und Prof. Dr. Frank Jacobi vorgelegte Gutachten zeige, dass für die Arztgruppe der Psychotherapeuten der Einstieg in eine an der Morbidität orientierte Bedarfsplanung möglich sei. Anhand des entwickelten Bedarfsindexes lasse sich regionaler Mehr- und Minderbedarf an psychotherapeutischen Praxen in Abhängigkeit von der Häufigkeit psychischer Erkrankungen ermitteln.
Der Auftrag des Gesetzgebers, die Bedarfsplanung stärker an die Sozial- und Morbiditätsstruktur zu binden, sei – so Munz – also umsetzbar. Dies zu zeigen, habe aus Sicht der BPtK hohe Relevanz, denn bisher tendiere der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dazu, im Prinzip beim Status quo zu bleiben. Dies sei jedoch für psychisch kranke Menschen und für Psychotherapeuten nicht weiter hinnehmbar. Trotz monatelanger Wartezeiten in vielen Regionen würden immer noch 4.500 Praxissitze als abbaubar gelten. Es sei an der Zeit, mit der Reform der Bedarfsplanung ernst zu machen. Die BPtK fordere deshalb:
Ausgehend von einer bundesweit einheitlichen Praxisdichte könnte dann mit dem Bedarfs- und dem Mitversorgungsindex regional die Anzahl der Psychotherapeutenpraxen angepasst werden.
Die Reform der Bedarfsplanung werde, so Munz, spätestens 2018 wieder ein vordringliches politisches Thema. Dank der Einführung der psychotherapeutischen Sprechstunde würden Patienten dann früher wissen, ob ihre Beschwerden durch eine psychische Krankheit verursacht seien und ob sie eine psychotherapeutische oder eine andere Behandlung benötigten. Dann werde die Frage von Wartezeiten wieder in den Fokus rücken, so prognostizierte Munz, denn in vielen Regionen habe sich seit 2011 an langen Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz kaum bzw. gar nichts geändert. Die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen müssten jedoch ab April 2017 innerhalb von vier Wochen nicht nur ein Erstgespräch, sondern auch Termine für eine zeitnah erforderliche Behandlung vermitteln. Dies werde das Thema Wartezeiten in der Psychotherapie und die Reform der Bedarfsplanung wieder auf die Tagesordnung setzen.
Psychotherapeutische Sprechstunden notwendig In der neuen psychotherapeutischen Sprechstunde, erläuterte Munz, sehe die BPtK einen großen Fortschritt für Patienten, aber auch für Psychotherapeuten. Es sei trotz der großen Belastungen, die die Sprechstunde für die Praxen mit sich bringe, immer im Auge zu behalten, dass die Alternative der psychotherapeutischen Sprechstunde die Wiedereinführung des Delegationsprinzips gewesen wäre. Hätte man sich nicht so intensiv für die psychotherapeutische Sprechstunde engagiert, würden die Patienten heute eventuell ihren Weg in die psychotherapeutischen Praxen über unabhängige Koordinierungsstellen oder ausschließlich über die Praxen der Haus- und Fachärzte suchen müssen.
Munz erinnerte an die vielfältigen Herausforderungen, die im nächsten Jahr auf die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zukommen. Neben der Einführung der Sprechstunde seien das insbesondere die neuen Befugnisse zur Einweisung ins Krankenhaus, Verordnung von Krankentransport, Soziotherapie und medizinischer (psychotherapeutischer) Rehabilitation zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch die neuen Regelungen zur Obergrenze des zulässigen Praxisumfangs bei Anstellung oder Jobsharing in psychotherapeutischen Praxen seien wichtige Verbesserungen, die niedergelassenen Therapeuten offen stünden.
Die BPtK werde gemeinsam mit den Landespsychotherapeutenkammern wichtige Informationen zu diesen Themen für Psychotherapeuten bereitstellen und damit die Informationen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Berufsverbände ergänzen. Ab Januar 2017 werde es eine neue Publikationsreihe geben, in der konkret beschrieben werde, wie eine Praxis mit den Neuerungen umgehen könne.
PsychVVG hat Potenzial Zum Schluss ging Munz noch auf das neue Entgeltsystem ein, das mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) beschlossen worden ist. Zentrale Vorschläge der BPtK seien in dieser Reform berücksichtigt worden. Von besonderer Relevanz sei, dass es künftig Mindestpersonalvorgaben geben werde, die eine leitliniengerechte Versorgung ermöglichen sollen. Diese Vorgaben seien für die Kliniken verbindlich, nachweispflichtig und vor allem auch budgetrelevant. Im Interesse der Patienten, aber auch derjenigen, die sie ins Krankenhaus einwiesen, sei positiv, dass künftig die Qualität der Versorgung in den Kliniken, dank des Krankenhausvergleichs und des gesetzlichen Auftrags zur Weiterentwicklung des Operationen- und Prozedurenschlüssels, transparenter werden könne. Zu kritisieren an dem Gesetz sei u. a., dass der Vorschlag der BPtK zum Einbezug ambulanter Netze in die Regelungen zur stationsäquivalenten Behandlung nicht umgesetzt wurde.
In der anschließenden Debatte erhielt der Vorstand viel Zuspruch für seine Initiative zum Einstieg in eine morbiditätsorientierte Bedarfsplanung. Der Ansatz sei innovativ und zukunftsweisend. Das BPtK-Spezial erlaube es, sich angemessen in der politischen Diskussion mit der Forderung zu positionieren, dass man nicht mehr bereit sei, über den Abbau von Praxissitzen zu reden, aber durchaus über regionale Umstrukturierung nachzudenken. Dabei sei aber zu bedenken, dass in größeren Stadtstaaten eine Umverteilung der Sitze in weniger gut versorgte Stadtteile möglich sei. In einem kleinen Stadtstaat wie Bremen drohten mit dem neuen Konzept aber noch höhere Überversorgungsgrade.
Einsatz von Medien in der Psychotherapie Eine intensive Debatte entspann sich zum Einsatz von Medien in der Psychotherapie. Die Anzahl und Einsatzformen neuer mediengestützter Interventionen bei psychischen Erkrankungen seien in den letzten Jahren "explodiert". Es bestehe die Gefahr, von den Entwicklungen überholt zu werden. Einzelne Delegierte begrüßten ausdrücklich das Round-Table-Gespräch der BPtK mit den Landespsychotherapeutenkammern, das Anfang Dezember zu diesem Thema stattfinden wird. Es sei dringend notwendig, dass die Psychotherapeutenkammern ihren Mitgliedern Unterstützung und Orientierung gäben. Man müsse wissen, welche Angebote unter Qualitätsgesichtspunkten geeignet und welche datenschutzrechtlichen und technischen Rahmenbedingungen unbedingt zu beachten seien. Auch sei zu überlegen, wie die Musterberufsordnung und in der Folge die Berufsordnungen der Landeskammern ausgestaltet sein sollten, damit sie Orientierung für Psychotherapeuten und Schutz für Patienten böten. Ferner sei darüber nachzudenken, wie Psychotherapeuten an der Entwicklung von mediengestützten psychotherapeutischen Angeboten beteiligt würden und wie sie in die Lage versetzt werden könnten, Patienten zu diesen Angeboten fundiert zu beraten und bei Bedarf auch entsprechende Angebote in die Versorgung zu integrieren. Angemessene tarifliche Eingruppierung
PD Dr. Heiner Vogel erläuterte in seinem Bericht des Ausschusses "Psychotherapeuten in Institutionen" die Notwendigkeit einer gemeinsamen Initiative, um bei den anstehenden Tarifverhandlungen der Länder ein besseres Ergebnis zu erzielen als beim Tarifvertrag der Kommunen. In diesem Vertrag seien die Psychotherapeuten auf dem Niveau der Entgeltgruppe (EG) 14 eingestuft worden, obwohl EG 15 als angemessen zu betrachten sei. Er machte darauf aufmerksam, dass ver.di in den Tarifverhandlungen die Interessen der Psychotherapeuten vertrete, dass es aber Aufgabe der Landeskammern und der Bundeskammer sei, die Arbeitgeber dafür zu sensibilisieren, welchen Beitrag Psychotherapeuten für die einzelnen Unternehmen leisteten. Der Beruf des Psychotherapeuten sei auf Arbeitgeberseite weitgehend unbekannt. Der DPT verabschiedete mit großer Mehrheit die Resolution "Psychotherapeuten fordern angemessene tarifliche Eingruppierung".
Klares Votum für die umfassende Ausbildungsreform Die Debatte des DPT zur Reform der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung stand im Zeichen der Eckpunkte, die die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Annette Widmann-Mauz, auf dem BPtK-Symposium Anfang November vorgestellt hatte. Sie hatte dabei deutlich gemacht, dass jetzt noch die nötigen Details geklärt würden, damit in der nächsten Legislaturperiode rasch ein Gesetzgebungsverfahren aufgenommen werden könne.
Der BPtK-Vorstand stellte die zentralen Ergebnisse des Projektes Transition gemeinsam vor und bewertete vor diesem Hintergrund die BMG-Eckpunkte. Präsident Munz begrüßte, dass mit den Eckpunkten des BMG nun ein erster Aufschlag des Ministeriums für die Reform gemacht werde, der wesentliche Vorschläge aus dem Projekt Transition aufgreife. Die Eckpunkte bauten auf dem breiten Berufsbild der Profession auf und enthielten die Grundstruktur eines psychotherapeutischen Approbationsstudiums mit anschließender Weiterbildung. Details habe das BMG aber nur für das Studium erarbeitet. Für die größte Herausforderung, die angemessene und nachhaltige Finanzierung der Weiterbildung, enthielten die Eckpunkte noch keine Lösungen.
Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop skizzierte die im Projekt Transition erarbeiteten Vorschläge für das Approbationsstudium. Klärungsbedarf sah er bei der Realisierung des Ziels, in einem Studium sowohl praktisch als auch wissenschaftlich so zu qualifizieren, dass am Ende das Masterniveau (Stufe 7 des Europäischen Qualifikationsrahmens - EQR 7) erreicht und zugleich nach einem Staatsexamen eine Approbation erteilt werden könne. Es müsse sichergestellt werden, dass praktische Ausbildungsanteile und eine angemessene wissenschaftliche Qualifizierung im Studium realisiert würden. Im Projekt Transition waren dazu detaillierte Kompetenzkataloge entwickelt worden, die dem DPT zusammen mit dem Entwurf für eine Approbationsordnung vorlagen.
Vizepräsident Peter Lehndorfer und die Vorstandsmitglieder Dr. Andrea Benecke und Wolfgang Schreck erläuterten die Eckpunkte einer künftigen Weiterbildung. Ziel der BPtK-Vorschläge sei es, die Breite der Kompetenzanforderungen aus der heutigen Versorgung in der Weiterbildung abzubilden, erklärte Benecke: mit Spezialisierung in den Fachgebieten "Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen" oder "Psychotherapie mit Erwachsenen" und der Vertiefung eines Psychotherapieverfahrens zum Erwerb der verfahrensbezogenen Fachkompetenz.
Für die Neuropsychologische Therapie, die sich nicht auf ein Psychotherapieverfahren stütze und bei der auch eine Spezialisierung nach Altersschwerpunkten nicht sachgerecht sei, werde eine abweichende Struktur diskutiert. Zu den Anforderungen an die Koordinierung verschiedener Weiterbildungsinstitute und Inhalte stellte Lehndorfer die verschiedenen Abhängigkeiten und rechtlichen Beziehungen zwischen den an der Weiterbildung beteiligten Personen, Organisationen und Institutionen vor. Dies zeige, dass bei der Qualifizierung von Psychotherapeuten ein besonderer Koordinierungsbedarf bestehe. Neben der Organisation müsse aber auch die Finanzierung sichergestellt sein. [....] Zum vollständigen Bericht der BPtK gelangen Sie hier.
Downloads:
Cornelia Prüfer-Storcks begrüßte die Delegierten in der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Senatorin für Gesundheit erwartete, dass die Reform des Psychotherapeutengesetzes nach Vorlage der Eckpunkte des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) „zügig zu Ende geführt“ würde. Sie machte deutlich, dass eine Struktur der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung, die mit anderen Heilberufen vergleichbar sei, die Probleme der jetzigen Psychotherapeutenausbildung lösen könne.
Sie erinnerte daran, dass psychische Erkrankungen immer häufiger ursächlich für Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit seien. Auch wenn die Prävalenz psychischer Erkrankungen nicht ansteige, sei die Diagnostik verbessert worden, würden Erkrankungen schneller erkannt und seien die Betroffenen heute eher bereit, sich bei psychischen Beschwerden Hilfe zu holen. Sie gehe daher davon aus, dass die Inanspruchnahme von Psychotherapie weiter steigen werde – und dies sei positiv. Es müsse jedoch der Entwicklung entgegenwirkt werden, jede Lebenskrise zu pathologisieren. Gleichzeitig müssten psychische Erkrankungen aber weiter entstigmatisiert werden. Ferner müsse dafür gesorgt werden, dass auch den Menschen geholfen werden könne, die bisher keine Hilfe erhielten. Die heutige Bedarfsplanung, stellte die Gesundheitssenatorin fest, sei „nicht der Weisheit letzter Schluss“. Auch die Länder forderten eine stärker an Sozial- und Morbiditätsfaktoren ausgerichtete Planung, weshalb sie die konzeptionellen Vorschläge der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) für eine Reform der Bedarfsplanung begrüße. Zum Schluss ihres Grußwortes ging Prüfer-Storcks auf die Versorgung von Flüchtlingen in Hamburg ein. Es sei notwendig, psychisch kranken Flüchtlingen eine adäquate Unterstützung und Behandlung anzubieten. Dabei müsse aber genau unterschieden werden, wer und wie viele wirklich behandlungsbedürftig seien. Ihr seien der besondere Stellenwert der Sprache und damit der notwendige Einsatz von Dolmetschern für ein psychotherapeutisches Behandlungsangebot bewusst, weshalb sie wie auch die anderen Mitglieder der Gesundheitsministerkonferenz es bedauerten, dass auf Bundesebene der Vorschlag der BPtK und der Bundesärztekammer zur Einrichtung und Finanzierung eines Dolmetscherpools für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen nicht realisiert wurde. Darüber hätten einerseits entsprechend qualifizierte Dolmetscher vermittelt, aber auch wichtige Aufgaben der Qualitätssicherung übernommen werden können. Hamburg habe deshalb die Sache selbst in die Hand genommen. Es gebe nun ein Koordinierungszentrum, das für Flüchtlinge sowohl den Zugang zur Versorgung regele als auch Dolmetscherleistungen und deren Finanzierung vermittle. Damit sei Hamburg ein Beispiel für den Bund.
In Hamburg, berichtete Heike Peper, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hamburg, habe man Erfahrungen mit komplexen und langwierigen Vorhaben. Sie ließ kurz Revue passieren, mit welchen Schwierigkeiten die Stadt seit 2005 gekämpft habe, um die Elbphilharmonie zu bauen. Trotz all dieser Schwierigkeiten würdigte der Dirigent des Philharmonieorchesters den fertigen Konzertsaal aber als so schön, „wie wir es uns in unseren schönsten Träumen nicht haben vorstellen können“. Große Projekte, das sei auch die Erfahrung in Hamburg, bergen Risiken. Man brauche gute Konstruktionspläne, deren sorgfältige Umsetzung und einen langen Atem. Nach Heike Peper sind all diese Voraussetzungen im Projekt Transition zur Reform der Psychotherapeutenausbildung gegeben. Deshalb hoffe sie, dass das Fazit zu diesem Großprojekt am Schluss ähnlich positiv ausfalle, wie das zur Elbphilharmonie.
Einstieg in eine morbiditätsorientierte Bedarfsplanung möglich Im Bericht des Vorstandes skizzierte BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz die Forderungen der Bundeskammer an die anstehende Reform der Bedarfsplanung. Basis sei ein Gutachten, das die BPtK gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben hatte. Das vom IGES-Institut und Prof. Dr. Frank Jacobi vorgelegte Gutachten zeige, dass für die Arztgruppe der Psychotherapeuten der Einstieg in eine an der Morbidität orientierte Bedarfsplanung möglich sei. Anhand des entwickelten Bedarfsindexes lasse sich regionaler Mehr- und Minderbedarf an psychotherapeutischen Praxen in Abhängigkeit von der Häufigkeit psychischer Erkrankungen ermitteln.
Der Auftrag des Gesetzgebers, die Bedarfsplanung stärker an die Sozial- und Morbiditätsstruktur zu binden, sei – so Munz – also umsetzbar. Dies zu zeigen, habe aus Sicht der BPtK hohe Relevanz, denn bisher tendiere der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dazu, im Prinzip beim Status quo zu bleiben. Dies sei jedoch für psychisch kranke Menschen und für Psychotherapeuten nicht weiter hinnehmbar. Trotz monatelanger Wartezeiten in vielen Regionen würden immer noch 4.500 Praxissitze als abbaubar gelten. Es sei an der Zeit, mit der Reform der Bedarfsplanung ernst zu machen. Die BPtK fordere deshalb:
- die Ablösung des Demografiefaktors durch den von IGES/Jacobi entwickelten Bedarfsindex für die Arztgruppe Psychotherapeuten,
- die Aufhebung der „Sonderregion“ Ruhrgebiet,
- die Akzeptanz der Zahl der heute zugelassenen Psychotherapeuten als Grundlage für die Gesamtzahl zu planender Praxissitze,
- die Entwicklung eines Mitversorgungsindexes, der abbildet, wo Patienten zum Psychotherapeuten gehen wollen – an ihrem Wohnort oder in der Nähe des Arbeitsplatzes bzw. im nahegelegenen Ballungszentrum,
- die Beibehaltung einer Mindestquote von 20 % für Psychotherapeuten, die ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln,
- die Stärkung der regionalen Ebene bei der Gestaltung der Versorgung und
- ein Konzept zur Finanzierung der anstehenden Anpassungen in der Versorgungsstruktur.
Ausgehend von einer bundesweit einheitlichen Praxisdichte könnte dann mit dem Bedarfs- und dem Mitversorgungsindex regional die Anzahl der Psychotherapeutenpraxen angepasst werden.
Die Reform der Bedarfsplanung werde, so Munz, spätestens 2018 wieder ein vordringliches politisches Thema. Dank der Einführung der psychotherapeutischen Sprechstunde würden Patienten dann früher wissen, ob ihre Beschwerden durch eine psychische Krankheit verursacht seien und ob sie eine psychotherapeutische oder eine andere Behandlung benötigten. Dann werde die Frage von Wartezeiten wieder in den Fokus rücken, so prognostizierte Munz, denn in vielen Regionen habe sich seit 2011 an langen Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz kaum bzw. gar nichts geändert. Die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen müssten jedoch ab April 2017 innerhalb von vier Wochen nicht nur ein Erstgespräch, sondern auch Termine für eine zeitnah erforderliche Behandlung vermitteln. Dies werde das Thema Wartezeiten in der Psychotherapie und die Reform der Bedarfsplanung wieder auf die Tagesordnung setzen.
Psychotherapeutische Sprechstunden notwendig In der neuen psychotherapeutischen Sprechstunde, erläuterte Munz, sehe die BPtK einen großen Fortschritt für Patienten, aber auch für Psychotherapeuten. Es sei trotz der großen Belastungen, die die Sprechstunde für die Praxen mit sich bringe, immer im Auge zu behalten, dass die Alternative der psychotherapeutischen Sprechstunde die Wiedereinführung des Delegationsprinzips gewesen wäre. Hätte man sich nicht so intensiv für die psychotherapeutische Sprechstunde engagiert, würden die Patienten heute eventuell ihren Weg in die psychotherapeutischen Praxen über unabhängige Koordinierungsstellen oder ausschließlich über die Praxen der Haus- und Fachärzte suchen müssen.
Munz erinnerte an die vielfältigen Herausforderungen, die im nächsten Jahr auf die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zukommen. Neben der Einführung der Sprechstunde seien das insbesondere die neuen Befugnisse zur Einweisung ins Krankenhaus, Verordnung von Krankentransport, Soziotherapie und medizinischer (psychotherapeutischer) Rehabilitation zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch die neuen Regelungen zur Obergrenze des zulässigen Praxisumfangs bei Anstellung oder Jobsharing in psychotherapeutischen Praxen seien wichtige Verbesserungen, die niedergelassenen Therapeuten offen stünden.
Die BPtK werde gemeinsam mit den Landespsychotherapeutenkammern wichtige Informationen zu diesen Themen für Psychotherapeuten bereitstellen und damit die Informationen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Berufsverbände ergänzen. Ab Januar 2017 werde es eine neue Publikationsreihe geben, in der konkret beschrieben werde, wie eine Praxis mit den Neuerungen umgehen könne.
PsychVVG hat Potenzial Zum Schluss ging Munz noch auf das neue Entgeltsystem ein, das mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) beschlossen worden ist. Zentrale Vorschläge der BPtK seien in dieser Reform berücksichtigt worden. Von besonderer Relevanz sei, dass es künftig Mindestpersonalvorgaben geben werde, die eine leitliniengerechte Versorgung ermöglichen sollen. Diese Vorgaben seien für die Kliniken verbindlich, nachweispflichtig und vor allem auch budgetrelevant. Im Interesse der Patienten, aber auch derjenigen, die sie ins Krankenhaus einwiesen, sei positiv, dass künftig die Qualität der Versorgung in den Kliniken, dank des Krankenhausvergleichs und des gesetzlichen Auftrags zur Weiterentwicklung des Operationen- und Prozedurenschlüssels, transparenter werden könne. Zu kritisieren an dem Gesetz sei u. a., dass der Vorschlag der BPtK zum Einbezug ambulanter Netze in die Regelungen zur stationsäquivalenten Behandlung nicht umgesetzt wurde.
In der anschließenden Debatte erhielt der Vorstand viel Zuspruch für seine Initiative zum Einstieg in eine morbiditätsorientierte Bedarfsplanung. Der Ansatz sei innovativ und zukunftsweisend. Das BPtK-Spezial erlaube es, sich angemessen in der politischen Diskussion mit der Forderung zu positionieren, dass man nicht mehr bereit sei, über den Abbau von Praxissitzen zu reden, aber durchaus über regionale Umstrukturierung nachzudenken. Dabei sei aber zu bedenken, dass in größeren Stadtstaaten eine Umverteilung der Sitze in weniger gut versorgte Stadtteile möglich sei. In einem kleinen Stadtstaat wie Bremen drohten mit dem neuen Konzept aber noch höhere Überversorgungsgrade.
Einsatz von Medien in der Psychotherapie Eine intensive Debatte entspann sich zum Einsatz von Medien in der Psychotherapie. Die Anzahl und Einsatzformen neuer mediengestützter Interventionen bei psychischen Erkrankungen seien in den letzten Jahren "explodiert". Es bestehe die Gefahr, von den Entwicklungen überholt zu werden. Einzelne Delegierte begrüßten ausdrücklich das Round-Table-Gespräch der BPtK mit den Landespsychotherapeutenkammern, das Anfang Dezember zu diesem Thema stattfinden wird. Es sei dringend notwendig, dass die Psychotherapeutenkammern ihren Mitgliedern Unterstützung und Orientierung gäben. Man müsse wissen, welche Angebote unter Qualitätsgesichtspunkten geeignet und welche datenschutzrechtlichen und technischen Rahmenbedingungen unbedingt zu beachten seien. Auch sei zu überlegen, wie die Musterberufsordnung und in der Folge die Berufsordnungen der Landeskammern ausgestaltet sein sollten, damit sie Orientierung für Psychotherapeuten und Schutz für Patienten böten. Ferner sei darüber nachzudenken, wie Psychotherapeuten an der Entwicklung von mediengestützten psychotherapeutischen Angeboten beteiligt würden und wie sie in die Lage versetzt werden könnten, Patienten zu diesen Angeboten fundiert zu beraten und bei Bedarf auch entsprechende Angebote in die Versorgung zu integrieren. Angemessene tarifliche Eingruppierung
PD Dr. Heiner Vogel erläuterte in seinem Bericht des Ausschusses "Psychotherapeuten in Institutionen" die Notwendigkeit einer gemeinsamen Initiative, um bei den anstehenden Tarifverhandlungen der Länder ein besseres Ergebnis zu erzielen als beim Tarifvertrag der Kommunen. In diesem Vertrag seien die Psychotherapeuten auf dem Niveau der Entgeltgruppe (EG) 14 eingestuft worden, obwohl EG 15 als angemessen zu betrachten sei. Er machte darauf aufmerksam, dass ver.di in den Tarifverhandlungen die Interessen der Psychotherapeuten vertrete, dass es aber Aufgabe der Landeskammern und der Bundeskammer sei, die Arbeitgeber dafür zu sensibilisieren, welchen Beitrag Psychotherapeuten für die einzelnen Unternehmen leisteten. Der Beruf des Psychotherapeuten sei auf Arbeitgeberseite weitgehend unbekannt. Der DPT verabschiedete mit großer Mehrheit die Resolution "Psychotherapeuten fordern angemessene tarifliche Eingruppierung".
Klares Votum für die umfassende Ausbildungsreform Die Debatte des DPT zur Reform der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung stand im Zeichen der Eckpunkte, die die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Annette Widmann-Mauz, auf dem BPtK-Symposium Anfang November vorgestellt hatte. Sie hatte dabei deutlich gemacht, dass jetzt noch die nötigen Details geklärt würden, damit in der nächsten Legislaturperiode rasch ein Gesetzgebungsverfahren aufgenommen werden könne.
Der BPtK-Vorstand stellte die zentralen Ergebnisse des Projektes Transition gemeinsam vor und bewertete vor diesem Hintergrund die BMG-Eckpunkte. Präsident Munz begrüßte, dass mit den Eckpunkten des BMG nun ein erster Aufschlag des Ministeriums für die Reform gemacht werde, der wesentliche Vorschläge aus dem Projekt Transition aufgreife. Die Eckpunkte bauten auf dem breiten Berufsbild der Profession auf und enthielten die Grundstruktur eines psychotherapeutischen Approbationsstudiums mit anschließender Weiterbildung. Details habe das BMG aber nur für das Studium erarbeitet. Für die größte Herausforderung, die angemessene und nachhaltige Finanzierung der Weiterbildung, enthielten die Eckpunkte noch keine Lösungen.
Vizepräsident Dr. Nikolaus Melcop skizzierte die im Projekt Transition erarbeiteten Vorschläge für das Approbationsstudium. Klärungsbedarf sah er bei der Realisierung des Ziels, in einem Studium sowohl praktisch als auch wissenschaftlich so zu qualifizieren, dass am Ende das Masterniveau (Stufe 7 des Europäischen Qualifikationsrahmens - EQR 7) erreicht und zugleich nach einem Staatsexamen eine Approbation erteilt werden könne. Es müsse sichergestellt werden, dass praktische Ausbildungsanteile und eine angemessene wissenschaftliche Qualifizierung im Studium realisiert würden. Im Projekt Transition waren dazu detaillierte Kompetenzkataloge entwickelt worden, die dem DPT zusammen mit dem Entwurf für eine Approbationsordnung vorlagen.
Vizepräsident Peter Lehndorfer und die Vorstandsmitglieder Dr. Andrea Benecke und Wolfgang Schreck erläuterten die Eckpunkte einer künftigen Weiterbildung. Ziel der BPtK-Vorschläge sei es, die Breite der Kompetenzanforderungen aus der heutigen Versorgung in der Weiterbildung abzubilden, erklärte Benecke: mit Spezialisierung in den Fachgebieten "Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen" oder "Psychotherapie mit Erwachsenen" und der Vertiefung eines Psychotherapieverfahrens zum Erwerb der verfahrensbezogenen Fachkompetenz.
Für die Neuropsychologische Therapie, die sich nicht auf ein Psychotherapieverfahren stütze und bei der auch eine Spezialisierung nach Altersschwerpunkten nicht sachgerecht sei, werde eine abweichende Struktur diskutiert. Zu den Anforderungen an die Koordinierung verschiedener Weiterbildungsinstitute und Inhalte stellte Lehndorfer die verschiedenen Abhängigkeiten und rechtlichen Beziehungen zwischen den an der Weiterbildung beteiligten Personen, Organisationen und Institutionen vor. Dies zeige, dass bei der Qualifizierung von Psychotherapeuten ein besonderer Koordinierungsbedarf bestehe. Neben der Organisation müsse aber auch die Finanzierung sichergestellt sein. [....] Zum vollständigen Bericht der BPtK gelangen Sie hier.
Downloads:
- Resolution des 29. DPT: Angemessene gesetzliche Rahmenbedingungen für eine reformierte psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung schaffen
- BPtK-Projekt Transition: DPT-Entwurf „Details der Approbationsordnung“
- Anlage zum Entwurf „Details der Approbationsordnung“: „Kompetenzkatalog für die Approbationsordnung“
- BPtK-Projekt Transition: DPT-Entwurf „Eckpunkte einer Weiterbildungsreform“
- Resolution des 29. DPT: Psychotherapeuten fordern angemessene tarifliche Eingruppierung
- Resolution des 29. DPT: Begutachtung der Humanistischen Psychotherapie
- Vortrag von Dr. Dietrich Munz: Bericht des Vorstandes
- Vortrag von Dr. Andrea Benecke: Bericht des Vorstandes
- Vortrag von Dr. Dietrich Munz: Reform der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildung
- Vortrag von Dr. Anke Walendzik und Prof. Dr. Jürgen Wasem: Organisations-und Finanzierungsmodelle für eine ambulante psychotherapeutische Weiterbildung nach einem Approbationsstudium
01.12.2016