Was tun bei akuter Gefährdung und Suizidalität in der Psychotherapie?
Wer psychotherapeutisch arbeitet, wird mit Fällen von akuter Eigen- und Fremdgefährdung konfrontiert. Wie verhält man sich in so einer Ausnahmesituation korrekt, welches Vorgehen ist rechtssicher? Dies wurde in der digitalen LPK-Veranstaltung „Akutsituationen. Was tun bei akuter Gefährdung und Suizidalität in der Psychotherapie?“ am 10. September 2024 mit den Kammerjuristinnen Saskia Kollarich und Tamina Bührer und Vorstandsmitglied Ulrich Bestle aus psychotherapeutischer und juristischer Perspektive erörtert. Das Interesse unter den Kammermitgliedern an der Thematik ist groß: Das zeigen nicht nur die Erfahrungen aus der telefonischen juristischen Beratung, sondern auch die Tatsache, dass rund 120 Personen an der Veranstaltung teilnahmen – ähnlich groß war die Anzahl der Teilnehmenden auch schon im letzten Jahr.
Auch diesmal hatten die Teilnehmer*innen im Vorfeld die Gelegenheit genutzt, Fälle aus ihrer beruflichen Praxis zur Diskussion einzureichen. Zusätzlich zu der eingangs ausführlich erläuterten rechtlichen Basis und der praktischen Einordnung der vorgestellten Fälle durch Herrn Bestle bot die Veranstaltung eine Übersicht zu Zahlen und Fakten rund um das Thema Suizidalität in Deutschland.
Für Psychotherapeut*innen gilt im Kontext der Suizidalität von Patient*innen, Eigen- und Fremdgefährdung eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Es muss gründlich abgewogen werden, ob eine latente oder akute Gefahrensituation vorliegt und ob die grundsätzlich geltende Schweigepflicht gebrochen werden darf. (Zu diesem Thema verwiesen die Juristinnen auf § 4 der Berufsordnung und auf die Praxis-Tipps Nr. 11, Nr. 15 und Nr. 19).
Sehr empfehlenswert ist es, einen Notfallplan für Akutsituationen zu erstellen, der wichtige Handlungsschritte und Telefonnummern bereithält und im Bedarfsfall verlässliche Unterstützung bietet. Auch wenn es schwerfällt, sollte man in Akutsituationen ruhig bleiben und überlegt handeln. Außerdem ist die genaue Dokumentation der Ereignisse und der Abwägung, die beispielsweise zu einer Zwangseinweisung in die Klinik oder zur Hinzuziehung der Polizei geführt hat, von zentraler Bedeutung. „Was nicht dokumentiert wurde, hat in den Augen des Gerichts nicht stattgefunden“, betonten die Kammerjuristinnen.
Weiteres Schwerpunkthema der Veranstaltung waren Kindeswohlgefährdungen durch Patient*innen. Auch hierzu stellten die Kammerjuristinnen den komplexen rechtlichen Rahmen, insbesondere das 3-Stufen-Modell des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) vor (siehe Praxis-Tipp Nr. 10). Herr Bestle verdeutlichte die Schwierigkeiten, die aus der Feststellung von Kindeswohlgefährdung und dem Vorgehen hiergegen für die therapeutische Beziehung entstehen können.
Trotz der großen Bandbreite der diskutierten Problemlagen bietet das Thema „Akutsituationen“ noch genug Stoff für weitere Veranstaltungen, so dass die Kammer wohl auch zukünftig Ähnliches anbieten wird. Schließlich sei es gut, sein Wissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen für solche Notfallsituationen regelmäßig aufzufrischen, „ähnlich wie bei einem Erste-Hilfe-Kurs“, so Herr Bestle.