Umgang mit Kindeswohlgefährdung in der Psychotherapeutischen Praxis
Der dritte Teil der digitalen LPK-Fortbildungsreihe „Berufsrecht zum Frühstück“ am 14. Mai 2024 widmete sich dem Thema „Kindeswohlgefährdungen“. Kammerpräsidentin Sabine Maur, die die Veranstaltung moderierte und fachlich begleitete, konnte rund 60 Teilnehmer*innen begrüßen.
Kammerjuristin Saskia Kollarich gab zunächst einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen des Themas, wobei sie unter anderem auf Besonderheiten bezüglich der Schweigepflicht im Falle von Kindeswohlgefährdung einging.
Wie in der Praxis mit Kindeswohlgefährdungen umzugehen ist, erläuterte Referentin Heike Jockisch. Sie ist Mitglied der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz und seit Jahrzehnten in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Frau Jockisch leitet das SOS Kinderdorf Kaiserslautern und konnte aufgrund ihrer langjährigen praktischen Erfahrung fundiert und anschaulich deutlich machen, woran man Kindeswohlgefährdungen erkennt, von wem sie ausgehen können und wie ihnen fachlich zu begegnen ist.
Sie erläuterte, dass Misshandlungsfolgen von kurzfristigen Anpassungsstörungen bis hin zu dauerhaften schwersten psychischen Beeinträchtigungen reichen können, wie beispielsweise Bindungsstörungen mit lebenslangen Auswirkungen auf das Selbstkonzept und die Beziehungsgestaltung, sowie Persönlichkeitsstörungen und Traumafolgestörungen.
Wenn man von einer Kindeswohlgefährdung erfahre, sei die wichtigste Grundregel, Ruhe zu bewahren und die weiteren Schritte gründlich zu überlegen. Dabei sei es sinnvoll, sich Hilfe durch externe Fachberatung zu holen, etwa bei den Kinderschutzdiensten. Wichtig sei daher für Psychotherapeut*innen die Kenntnis der lokalen Netzwerke zum Kinderschutz.
Alle Interventionsschritte sollten möglichst mit dem betroffenen Kind oder Jugendlichen angemessen besprochen werden, betonte Frau Jockisch. Wünsche und Vorstellungen des Kindes oder Jugendlichen sollten beim weiteren Vorgehen nach Möglichkeit berücksichtigen werden.
Juristin Saskia Kollarich ergänzte, dass die genaue Dokumentation des Besprochenen und der ergriffenen Schritte besonders im Falle von Kindeswohlgefährdung bedeutsam sei. Zudem bekräftigte sie, dass sich Psychotherapeut*innen – anders als manchmal befürchtet – nicht unmittelbar strafbar machen, wenn sie nicht direkt handeln, nachdem sie von einer möglichen Kindeswohlgefährdung erfahren haben. Auch sie plädierte für besonnenes Handeln und gut überlegtes Vorgehen, auch wenn dann mehr Zeit bis zur Intervention verstreiche.
Als Gedächtnisstütze für den richtigen Umgang mit Kindeswohlgefährdungen gab Frau Jockisch aus ihrem Arbeitskontext den Teilnehmer*innen des Webinars das Akronym „ERNST“ mit auf den Weg. Die Buchstaben stehen für:
1. Erkennen
2. Ruhe bewahren
3. Nachfragen
4. Sicherheit herstellen
5. Täter stoppen und Opfer schützen
Im Anschluss an die Vorträge der Referentinnen nutzen die Teilnehmer*innen die Gelegenheit für Fragen und gaben der Veranstaltung sehr positives Feedback.
Der vierte und letzte Teil der Reihe „Berufsrecht zum Frühstück“ trägt den Titel „Berichte, Stellungnahmen und Co.“ und findet am 19. Juni 2024 statt. Zur Anmeldung gelangen Sie hier.