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"Psychotherapeut*innen müssen Flagge zeigen"

Wie verschiedene Studien gezeigt haben, machen Menschen aus marginalisierten Gruppen leider auch im Gesundheitswesen - und damit auch in der Psychotherapie - Diskriminierungserfahrungen. Um die Kammermitglieder für diese Thematik zu sensibilisieren und Auswege aufzuzeigen, veranstaltete die Landespsychotherapeutenkammer am 17. Januar 2025 einen digitalen Fachtag zum Thema „Diskriminierungssensible Psychotherapie“ mit zwei Fachvorträgen und drei Workshops von renommierten Expert*innen. Moderiert wurde die Veranstaltung mit rund 70 Teilnehmer*innen von LPK-Vorstandsmitglied Ulrich Bestle.

Wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung für Psychotherapeut*innen ist, machte Kammerpräsidentin Sabine Maur in ihrem Grußwort deutlich: Zunächst sei festzuhalten, dass der Berufsstand selbst aufgrund der hohen Zugangshürden und prekären Ausbildungsbedingungen, die die Teilhabe von Menschen aus marginalisierten Gruppen erschwere, zu wenig divers sei. Außerdem würde bisher diskriminierendes Verhalten von Psychotherapeut*innen oft zu wenig reflektiert und sei auch nicht strukturell in der Ausbildung verankert. Der Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung sei vor allem für Menschen mit Migrationshintergrund, aus armen Verhältnissen oder mit einer Behinderung erschwert. Frau Maur appellierte an die gesellschaftliche Verantwortung der Psychotherapeut*innen: „Mit der Ausgrenzung und Diskriminierung von marginalisierten Menschen wird wieder verstärkt Politik gemacht. Wir sehen eine Zunahme von Hass und Hetze in den Sozialen Medien und entsprechend eine Zunahme von Hassverbrechen in der Lebensrealität marginalisierter Menschen.“, konstatierte sie. „Wir als Psychotherapeut*innen wissen um die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und den sozialen Zusammenhalt und müssen deshalb hier Flagge zeigen.“

Dr. Klemens Ketelhut (Projektleiter „Konversionsbehandlungen: Kontexte, Praktiken, Biografien“ bei Mosaik Deutschland e.V.) beleuchtete in seinem Fachvortrag das Thema „Konversionserfahrungen von queeren Menschen“. Er stellte unter anderem eine Studie vor, die er und sein Team durchgeführt haben und die die Erfahrungen mit Konversionsmaßnahmen von Betroffenen untersucht hat. Herr Dr. Ketelhut forderte, Qualifizierungs- und Sensibilisierungsangebote zu Konversionsmaßnahmen in allen relevanten beraterischen und psychotherapeutischen Kontexten verfügbar zu machen. Außerdem solle Grundlagenforschung zu dieser Thematik gefördert und Präventionsmaßnahmen zur Verringerung queerfeindlicher Haltungen geschaffen sowie spezifische therapeutische Zugänge entwickelt werden.

Sema Akbunar (PP, Leiterin Interkulturelle Psychologische Praxis, Berlin) referierte über „Rassismuskritische Psychotherapie“ und bot einen Workshop zum selben Thema an. In ihrem Vortrag berichtete sie, dass laut einer Studie aus dem Jahr 2020, 62% der Befragten der Aussage „Bei der Psychotherapie werden meine Rassismuserfahrungen nicht ernst genommen und in Frage gestellt“ zustimmten und erörterte, was dagegen getan werden könne. Häufig geschehe diese Form der Diskriminierung in der Therapie nicht mit böser Absicht, könne aber ungeachtet dessen sehr negative Folgen haben. Eine rassismuskritische Haltung helfe, subtile Formen der Diskriminierung („Mikroaggressionen“) zu erkennen und zu vermeiden. Diskriminierungserfahrungen sollten in der Anamnese von der Psychotherapeut*in angesprochen werden. Zentral sei außerdem Selbstreflexion und das besondere Bemühen um den Aufbau von Vertrauen in der therapeutischen Beziehung. Die Referentin betonte, dass Psychotherapeut*innen durch die Entwicklung einer rassismuskritischen Haltung selbst zur Förderung einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft beitragen.

Parallel zu Frau Akbunars Workshop fanden die Workshops „Psychotherapie für Menschen mit Geschlechsdysphorie“ von Sabine Christian (PP, Stellvertretende Leiterin der psychotherapeutischen Ausbildungsambulanz der Universität Mainz, Leitung des Schwerpunkts Genderinkongruenz) und „Psychotherapie für Menschen mit Behinderungen“ von Christina Heil (PP, Psychotherapeutische Praxis mit Schwerpunkt Psychotherapie und Beratung von Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderungen, Pforzheim) statt.

Im abschließenden Plenum mit allen Referent*innen wurde unter anderem die Antidiskriminierungsstrategie der Bundespsychotherapeutenkammer vorgestellt, die momentan erarbeitet wird. Diese versucht, möglichst viele marginalisierte Gruppen zu berücksichtigen. Außerdem wurde unter anderem die strukturelle Einbindung von Themen der Diskriminierung in die Fort- und Weiterbildung thematisiert und diskutiert, durch welche Maßnahmen die Förderung der Diversität des Berufsstandes unterstützt werden könnte, etwa durch vereinfachte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse.

Insgesamt machte dieser Fachtag deutlich, dass Psychotherapeut*innen und die sie vertretenden Organisationen einiges tun können, um Diskriminierung im Gesundheitswesen abzubauen. Zentral ist, diese auf allen Ebenen zu erkennen und das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen. Die Teilnahme am Fachtag war also ein Schritt in die richtige Richtung. Die Veranstaltung endete mit dem Appell des Plenums, viel stärker das Verbindende aller Menschen zu sehen, als das Trennende.

[Screenshot vom 17.01.2025]

21.01.2025
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